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Werke

Werke

Titel: Werke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Adalbert Stifter
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wieder.«
    »Witiko«, antwortete der Herzog, »behalte dein Schwert, und gebrauche es. Dem Gerichte aber stelle dich.«
    »Ich werde es tun, hoher Herr«, sagte Witiko.
    Darauf verließ er das Gezelt, und ging auch zu den Verwundeten.
    Indes diese Dinge geschahen, war es in Prag, wie es schon viele Tage vorher gewesen war. Das Schleudern gegen die Mauern dauerte, und die Verteidigung dauerte. Die Männer in der Stadt waren weniger, und die Männer vor der Stadt waren auch weniger. Die Mauern zeigten größere Beschädigungen, die Geräte der Feinde waren in geringerer Wirkungskraft, und die auf den Mauern auch.
    Am fünften Tage des Brachmonates drängten sich so viele Feinde gegen die Stadt, daß die auf den Mauern meinten, kein einziger Mensch sei in dem Lager zurückgeblieben. Das Werfen aus den Schleuderstücken der Feinde wurde stärker, als es früher gewesen war. Sie schoben Gerüste und Geräte noch näher an die Stadt, obgleich sie da ohne Bergen waren, und harreten bei ihnen während des Werfens gegen sie aus. Diepold sandte an Geschossen in die Feinde, was er zu senden vermochte. Die Mährer änderten ihre Feuerwürfe. Da sie früher nur Branddinge gegen die Krieger auf den Zinnen geschleudert hatten, so ging nun ein brennender Pfeil in hohem Bogen gegen die Gebäude der Stadt. Dem Pfeile folgten bald mehrere, und Feuerballen gingen in die Luft. Die Feinde suchten auch an der schwächsten Stelle der Mauer empor zu klimmen. Diepolds Scharen drängten sich zur Verteidigung heran. Da, als es schon gegen den Abend ging, begann die Kirche des heiligen Veit zu brennen. Der Türmer ließ das große Banner des Herzogs Wladislaw nieder, und rettete es zu Diepold. Darauf faßte das Feuer das ganze Dach, und es ging eine breite Lohe gegen den Himmel empor. Und fast zur nämlichen Zeit begannen das Kloster und die Kirche des heiligen Georg zu brennen, und die Flammen gingen in die Lüfte.
    Die Männer auf den Mauern wendeten ihre Angesichter dahin, und es war, als erstarrten sie.
    Da sprang Dimut unter den Pfeilen auf eine hohe Stelle der Zinnen, streckte ihren blutenden Arm mit dem Schwerte empor, und rief: »Jetzt kommt der Retter, jetzt kommt der Retter, der Feind weiß es, und sendet uns das Zeichen. Er übt im Aberwitze der Verzweiflung Rache an den Heiligtümern. Unsere Heiligtümer sind nicht verloren, wir werden sie wieder aufbauen, sie werden schöner sein als früher, und mit der Weihe des Erzbischofes wieder hilfreich und gnadenreich; die aber an ihnen gefrevelt haben, werden mit zerrauften Haaren und mit entblößtem Armen auf der Erde liegen, und den Himmel um Barmherzigkeit anflehen, und den irdischen Richter um Gnade, daß er nicht zu hart strafe. Der Retter kommt, der Retter kommt.«
    Sie schwang ihr Schwert freudenvoll um das Haupt, und hundert Männer riefen: »Der Retter kommt, der Retter kommt.«
    Sie stieg von der Zinne nieder, und zwei Pfeile hingen an ihrem Panzer, und einen trug sie in der linken Hand.
    Der Ruf verbreitete sich längs der Mauern.
    Die Herzogin sendete Trompeter, die verkündeten: »Der Herzog Wladislaw kommt.«
    Jetzt sah man den Bischof Otto mit seinen Priestern in kirchlichem Zuge heilige Kleinodien aus der Kirche des heiligen Veit gegen die Kirche der heiligen Jungfrau Maria tragen.
    Da riefen sie: »Laßt uns hinaus gegen sie, laßt uns hinaus.«
    Diepold antwortete: »Mit dem Herzoge gehen wir hinaus, jetzt wahrt die Mauern.«
    Und die Männer stürzten noch eifriger zur Verteidigung vor.
    Er aber ließ das große rosenrote Banner des Herzoges an einem hohen glatten Baume empor ziehen.
    Nun regte alles, was in der Stadt Hände hatte, dieselben. Man warf nicht nur die Dinge des Krieges gegen die stürmenden Feinde: Pfeile, Bolzen, Pflöcke, Steine, Fäßchen mit siedendem Öle und ätzenden Flüssigkeiten, Brandpech, glühende Metalle und brennende Pfeile und Brandwerke, es wurde nicht nur, was von den Feinden herein kam, und tauglich war, wieder gegen sie gesendet, sondern man nahm jedes, was zu bewegen und zu zerreißen war, Mauertrümmer, Bausteine, Treppenstufen, Stücke, die man von Werken oder Gittern riß, Dachrinnen, Brunnenröhren, und was Hände fassen konnten, und warf es auf die Feinde.
    Diese ließen nicht ab.
    Endlich kam die späte Abenddämmerung dieser Jahreszeit, und die Feinde wichen von den Mauern, und gingen zurück, und gingen immer weiter zurück, und endeten ihr Werfen. Die Verteidigung hörte auch auf, und es war nach einer Stunde so stille, als ob

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