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Werke

Werke

Titel: Werke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Adalbert Stifter
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ganze Scharen von Menschen entgegen, und riefen ihm Heil und Segen und Jubel zu, und streuten Tannenzweige auf seinen Weg, und geleiteten ihn große Strecken. Viele junge Krieger und Herren kamen herzu, und zogen mit ihm nach Prag. In Prag wurde er von dem Volke mit Feierlichkeit empfangen, mit Freude begrüßt, und er und Judith wurden in kirchlicher Festlichkeit als König und Königin anerkannt.
    Er berief darauf eine große Versammlung in die Königsburg.
    Und als der Tag der Versammlung gekommen war, und als sich die hohen und niederen Herren der Länder Böhmen und Mähren und die Herren der Kirche in einer so großen Zahl eingefunden hatten, wie sie sonst nie herbei gezogen waren, sprach der König zu ihnen: »Erhabene Herren der Kirche, Söhne des Stammes Premysl, Herren, Männer und Krieger der Länder Böhmen und Mähren, höret meine Worte. Sie zielen nun nicht mehr wie in der vergangenen Zeit auf die Not und das Unglück unserer Länder, um Abhilfe zu verlangen; sie zielen auf das Ansehen und die Ehre unseres Reiches, daß es mit andern Reichen wirke, ihnen gleich sei, und geachtet und gefürchtet werde. In Italien ist die große und mächtige und reiche Stadt Mailand durch Gewalt, durch Kühnheit, durch Verrat, durch Frechheit und durch Verhöhnung aller göttlichen und menschlichen Gesetze die Beherrscherin des oberen Teiles des Landes geworden. Die Krämer, die Händler, die Handwerker der Stadt sind tapfer, sie spotten aber jedes Rittertumes, jedes Kriegertumes, und möchten die Herren aller Dinge sein. Und sie werden nach und nach die Herren der Dinge werden, wenn ihnen nicht Einhalt getan wird, und sie werden wachsen, und nach uns allen greifen. Es ist daher ein Bund gegen sie entstanden. Friedrich, der König der Deutschen, der auch in Rom zum römischen Kaiser gekrönt worden ist, der in Pavia die lombardische Krone empfangen hat, und dessen Untertanin daher die Stadt Mailand ist, dessen Ansehen und Befehlen sich aber die Stadt widersetzt, ist der Führer des Bundes. Alle deutschen Fürsten gehen mit ihm. Das Land Ungarn wird Reiter senden, Polen wird Kriegsvölker stellen, und andere werden vielleicht desgleichen tun. Das große schöne Land Italien soll geeinigt und geordnetwerden. Ich habe dem Kaiser versprochen, daß ich zu seinem Zuge gehen, und daß ich die Männer zu ihm führen werde, die sich mir zugesellen wollen. So wird, wie schon andere Ehren unserem Lande zu Teil geworden sind, auch aus dieser großen Sache Ehre und Macht für das Land erwachsen. Ich verkündige euch dieses, daß ihr es wisset, und daß jeder, der nach Mailand zu ziehen gesonnen ist, sich rüsten könne. Mit dem Frühlinge beginnt der Auszug.«
    Da der König gesprochen hatte, setzte er sich wieder auf seinen Stuhl nieder.
    Mehrere Männer erhoben den Ruf: »Wir ziehen, wir ziehen.«
    Andere riefen darunter, und man verstand ihre Worte nicht, und es wurde, ehe einer der vorzüglicheren Männer reden konnte, ein Rufen in dem ganzen Saale, aus dem nichts Deutliches vernommen werden konnte.
    Dann drang wieder der Ruf durch: »Wir ziehen.«
    Dann erscholl der Ruf: »Wir ziehen nicht.«
    Dann tönten Stimmen: »Es darf nicht sein«, »es ist gegen das Recht.«
    Dann riefen andere dagegen, und es entstand ein verworrenes Geschrei, das stärker wurde, als es früher gewesen war. Dann sprangen viele von ihren Sitzen auf, und schlugen an ihre Schwerter. Andere sprangen nun auch auf, und schlugen auch an ihre Schwerter wie gleichsam zur Antwort.
    Der König blieb auf seinem Stuhle, und sah auf die Männer.
    Casta hob seine Haube mit dem rechten Arme empor, und schwang sie in den Lüften.
    Es achtete aber niemand auf dieses Zeichen.
    Immer mehrere erhoben sich von ihren Sitzen, bis fast alle, die in dem Saale waren, standen.
    Nun stieg Wecel auf seinen Stuhl, und machte mit seinen Armen Zeichen.
    Das Schreien wurde aber noch stärker, und die Nächsten zogen ihn von seinem Stuhle wieder herunter.
    Jetzt stand Diwis auf, und ging von den Stühlen in den freien Raum, daß er von allen gesehen werden konnte, und hob seine beiden Arme empor.
    Das Schreien minderte sich aber nicht.
    Diwis ging wieder zu seinem Sitze.
    Nun tat Lubomir das nämliche, was Diwis getan hatte.
    Aber das Schreien dauerte fort, und zu Zeiten rasselten die Waffen.
    Lubomir ging wieder zu seinem Stuhle.
    Nun stand langsam der alte Wsebor mit seinem weißen Barte auf. Er stieg auf den Schemel, den man ihm seines Alters willen vor seinen Stuhl gestellt hatte.

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