Werke
Er nahm seine Haube ab, und hielt sie vor die Brust. So blieb er stehen, und regte sich nicht.
Und wie er immer so stand, minderte sich das Schreien allgemach. Es minderte sich stets, und man hörte den Ruf: »Wsebor.«
Da schrie Predbor mit gewaltiger Stimme: »Wsebor.«
Dann riefen mehrere: »Wsebor.«
Dann rief Predbor vernehmlich: »Wsebor liebt Land und Leute, höret ihn.«
»Wsebor, Wsebor, Wsebor«, riefen nun viele Stimmen.
Dann wurde es stiller, und es war endlich kein Laut mehr in dem Saale.
Darauf sprach Wsebor, da er auf dem Schemel stand: »Liebe, gute Landesgenossen. Ich danke euch, daß ihr mit meinem Alter Nachsicht habt, und euern Unwillen beschwichtigt. Ich bin jetzt der Älteste in dem Saale, seit Bolemil ist, wo die Jahre nicht mehr gezählt werden. Gönnet mir, daß ich Worte sage, was ich in meinem Leben erfahren habe. Bolemil spricht nicht mehr, und mein Mund ist viel schlechter.«
»Rede, rede«, riefen viele Stimmen.
Wsebor sprach: »Es sind viele hundert Jahre vergangen, seit der Vater Cech mit seinen Begleitern über die Ströme in dieses Land gekommen ist. Und sie haben ruhig gelebt, und haben die Nachbarn nicht beraubt. Und wenn Feinde gegen das Land gekommen sind, so haben sie dieselben abgewehrt. Die Fremden, welche als Gäste gekommen sind, haben sie beherbergt und gepflegt. Und wenn ein fremder Mann einem Manne dieses Landes ein Geschenk gegeben hat, so hat er es dankbar angenommen, und hat den fremden Mann wieder beschenkt. Aber niemals haben sie von dem Fremden ein Geschenk für das Land angenommen, daß er nicht ein Recht an das Land bekomme. Darum haben sie auch nicht in entfernten Ländern Hilfe leisten müssen. So sind sie daheim in ihrer Sitte geblieben, und es ist das Gesetz geworden, daß sie nicht in Kriegszüge weit über die Grenzen des Landes gehen dürfen. Hocherlauchter König Wladislaw, wenn du die Dinge, ehe sie geschehen sind, vor den Rat deiner Männer gebracht hättest, so wären vielleicht von der Weisheit der Männer andere Wege zum Heile der Länder gefunden worden.«
Als er diese Worte geredet hatte, stieg er wieder von seinem Schemel herab, und setzte sich auf seinen Stuhl.
Von den Männern in dem Saale aber riefen viele: »Das ist wahr«, »das ist gut«, »so muß es sein.«
Und es entstand wieder ein Durcheinanderrufen.
Dann erhob sich Gezo, der Abt von Strahow, um zu sprechen.
Als es stille geworden war, redete er: »Wir haben die Heiligtümer in unserer uralten Stadt Prag, und haben den goldenen Sitz unserer Fürsten im Wysehrad, welche Burg noch älter ist als Prag, und welche eine goldene Burg bei den Heiden gewesen ist, und eine goldene Burg mit herrlichen Kirchen bei den Christen geworden ist. Zu den Heiligtümern schaut das ganze Volk, und betet bei ihnen zu Gott, und zu den Heiligtümern wallfahren Fremde, um ihrer Wunder teilhaftig zu werden. In unserem Lande ist die Säule unsers Gebetes, ist die Säule unserer Andacht, ist die Säule unserer Macht, und ist die Säule unserer Ehre. Bei den Deutschen aber sind allerlei Pfalzen der Könige, sind allerlei Städte, und der König hat in keiner seinen goldenen Stuhl, und zieht von der einen zu der andern.«
Es erhob sich nach diesen Worten ein dröhnender Lärm in dem Saale. Die Männer schlugen an ihre Schwerter, und. manche schwangen sie mit der Scheide um ihr Haupt.
Gezo aber setzte sich wieder auf seinen Stuhl.
Keine Stimme redete gegen Gezo.
Es erhob sich Peter, der Abt von Brewnow.
Man machte ihm endlich Raum zum Reden, und er sprach; »Wie der hochehrwürdige Abt von Strahow, und wie der hohe Leche Wsebor geredet haben, so rede auch ich. Wenn wir unser Land aus seinen Gesetzen und aus seinen Sitten und Gewohnheiten in die Schicksale anderer Länder heben, so ruht es nicht mehr in sich, und kann stürzen. Ich beklage jede Änderung, die nicht reiflich in dem Rate seiner Söhne erwogen worden ist.«
Nach dieser Rede entstand ein großes Beifallrufen, und es entstand auch ein Rufen des Mißbilligens.
Mehrere Männer sprangen zugleich empor, um zu sprechen.
Da es stiller geworden war, erhob sich der König, und da man ihn vernehmen konnte, sprach er: »Es soll ein jeder, der in dieser Sache reden will, reden. Er rede, was er in seinem Sinne für recht und gut hält, und rede, so lange es ihm genehm ist. Ich werde jeden hören, und bitte aber auch die Männer, daß ein jeder den andern anhöre, wie er selbst angehört zu werden wünscht. Da jedoch nicht mehrere zugleich reden
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