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Werke

Werke

Titel: Werke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Adalbert Stifter
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Jüngling, und selbst mit schwach aufsteigender Neugier, wo es denn liege, was ihren größten Schatz dieser Erde, Clarissas Herz, gewonnen.
    »Laß diese Wiese,« fuhr er fort, »diese schöne Wiese, auf der wir sitzen, unbedeutende Geschöpfe vor dem Herrn, wie die andern, die da spielen und atmen in den Gräsern und Gesteinen, umweht von den Wäldern Gottes, in denen kein Rang und Stand ist – lasse sie den Verlobungssaal sein – und alles, was uns umringt, sei Zeuge – reiche mir die Hand, Clarissa, so mir Gott gnädig sein wolle, bin ich dein für alle Zeiten, in Leid und Freud, und sollte dies Auge unversehens der Schatten des Todes berühren, so weine ein kleines Tränlein als meine Witwe.«
    Ein leichter Schauder ging über Clarissen; sie war in höchster Erschütterung aufgestanden, und unfähig, nur ein einzig Wort zu sagen, legte sie ernst, wie mit kirchlicher Andacht, ihre Hand in seine. Johanna atmete bange auf, daß sich ihr Busen hob und senkte, und die angerufenen Zeugen standen todesstumm herum, nur der Fichtenwald streute seinen Harzgeruch als Weihrauch darauf, und die Grillen zirpten leichtsinnig fort.
    Der alte Jäger stand auf, seine Büchse nach vorn gelehnt, wie ein Standbild, und keine Fiber an ihm verriet, was in ihm vorgehen könne. Ronald griff mit der linken Hand umher, als suche er Johannas ihre; – diese, in ein krampfhaftes Schluchzen ausbrechend, reichte sie ihm und drückte sie lange und fest, gar nicht loslassend, gleichsam eine stumme, hülflose Bitte um Clarissas Glück.
    Nach einigen Sekunden sprachloser Gemütsbewegung löste sich sanft die Gruppe, und der schöne Schwedenjüngling trat an Clarissa, neigte seinen Mund auf ihre Stirne und küßte sie ernst und ruhig, die demütig, wie eine erglühende Blume, unter seinem Hauche dastand. Dann aber trat sie zu Johannen und nahm sie wie in den schönsten Tagen des vergangenen Schwesterglückes bei der Hand, wohl fühlend, was das unschuldige Herz neben ihr in diesem Augenblicke verlor. Zu ihm gewendet aber sagte sie beklommen die Worte: »Ronald, wird es gut sein, was wir taten – ach, ich dachte nicht an meinen Vater! – sage, wird es gut sein, und was wird nun ferner zu tun sein?«
    »Höre mich, mein Herz,« antwortete er, »was längst beschloßne Sache war. Ich gehe fort, und zwar augenblicklich. Mit deinem Herzen bin ich verständigt, nun zu deinem Vater. Euer Schloß ist in Gefahr. Unter Torstensohns Befehlen steht die Abteilung, – die bestimmt ist, bei Gelegenheit seines Durchzuges Wittinghausen zu nehmen. Torstensohn und ich lieben uns seit früher Zeit, und gewiß bringe ich es dahin, daß man euer harmlos Haus ganz unangetastet läßt, und daß auf dem hochverhrten Haupte, das mir und dir heilig ist, kein einzig Härchen gelüftet werde. Ich weiß, daß in dieser Zeit der Übergang geschehen werde, und sollte doch eine Belagerung stattfinden, so werde ich dabei sein, um deine beiden Geliebten zu schützen. Wenn nicht alle Zeichen trügen, so naht dieser Krieg schnell seinem Ende; in der Zeit lege ich deinem Vater alles vor, was er über mich zu wissen braucht, und wenn sich die versöhnten Völker umarmen und ein Schrei des Jubels durch die Länder geht, dann, Clarissa, falle unser kleines Fest in das große allgemeine – ich suche meine Mutter, bringe sie in euer Land – – und, Clarissa, hier an dieser Stelle, auf dieser heiligen Insel des Waldes lasse ich uns ein lieblich Haus bauen, und wohnen wir gleich nicht immer da, so besuchen wir doch die zauberische Stelle oft, und sind wieder, wie jetzt, die einsamen, losgebundenen Kinder des Waldes. – Und nun, du mein klopfend Herz, der Augenblick, daß du dich an dieser Blume noch erlaben wolltest, ist vorüber, rüste dich – – und, gebe Gott der Herr Gedeihen und ein frohes Wiedersehen – – noch in dieser Minute gehe ich. Die Zeit ist maßlos kostbar; darum drang ich so stürmend auf diese Unterredung und führte sie mit Gewalt herbei. – – – Noch einen Blick in dein Auge! – – – So ach, es deucht mir gar nicht möglich, daß ich fort gehen soll.«
    Tränen umflorten seinen Blick, aber sich schnell fassend, reichte er die Hand an die Mädchen: »Lebe wohl, Clarissa, Braut! Lebe wohl, Johanna, und du, Gregor, Gott schütze dich; hüte diese beiden, wie die Sterne deiner Augen« – und somit wollte er sich wenden, aber Gregor hielt ihn auf und sagte: »Ronald, in allem, was du sagtest, ist Vernunft, ich lobe dich deshalb, nur in einem ist

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