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Werke

Werke

Titel: Werke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gotthold Ephraim Lessing
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Verstellung und Erfahrung zu Nutze machten und nicht eher ruhten, als bis Sie Ihren Zweck erreichten: das möchte noch hingehen; Sie können sich mit der Heftigkeit Ihrer Leidenschaft entschuldigen. Allein, daß Sie einem alten Vater sein einziges Kind raubten; daß Sie einem rechtschaffnen Greise die wenigen Schritte zu seinem Grabe noch so schwer und bitter machten; daß Sie, Ihrer Lust wegen, die stärksten Banden der Natur trennten: das, Mellefont, das können Sie nicht verantworten. Machen Sie also Ihren Fehler wieder gut, so weit es möglich ist, ihn gut zu machen. Geben Sie dem weinenden Alter seine Stütze wieder, und schicken Sie eine leichtgläubige Tochter in ihr Haus zurück, das Sie deswegen, weil Sie es beschimpft haben, nicht auch öde machen müssen.
    Mellefont
. Das fehlte noch, daß Sie auch mein Gewissen wider mich zu Hülfe riefen! Aber gesetzt, es wäre billig, was Sie sagen; müßte ich nicht eine eiserne Stirne haben, wenn ich es der unglücklichen Miß selbst vorschlagen sollte?
    Marwood
. Nunmehr will ich es Ihnen gestehen, daß ich schon im voraus bedacht gewesen bin, Ihnen diese Verwirrung zu ersparen. So bald ich Ihren Aufenthalt erfuhr, habe ich auch dem alten Sampson unter der Hand Nachricht davon geben lassen. Er ist vor Freuden darüber ganz außer sich gewesen, und hat sich sogleich auf den Weg machen wollen. Ich wundre mich, daß er noch nicht hier ist.
    Mellefont
. Was sagen Sie?
    Marwood
. Erwarten Sie nur ruhig seine Ankunft; und lassen sich gegen die Miß nichts merken. Ich will Sie selbst jetzt nicht länger aufhalten. Gehen Sie wieder zu ihr; sie möchte Verdacht bekommen. Doch versprech’ ich mir, Sie heute noch einmal zu sehen.
    Mellefont
. O Marwood, mit was für Gesinnungen kam ich zu Ihnen, und mit welchen muß ich Sie verlassen! Einen Kuß, meine liebe Bella – –
    Arabella
. Der war für Sie; aber nun einen für mich. Kommen Sie nur ja bald wieder; ich bitte. Mellefont geht ab.
    { ‡ }
Fünfter Auftritt
    Marwood. Arabella. Hannah.
    Marwood
nachdem sie tief Atem geholt. Sieg, Hannah! aber ein saurer Sieg! – Gib mir einen Stuhl; ich fühle mich ganz abgemattet – Sie setzt sich. Eben war es die höchste Zeit, als er sich ergab; noch einen Augenblick hätte er anstehen dürfen, so würde ich ihm eine ganz andre Marwood gezeigt haben.
    Hannah
. Ach, Madam, was sind Sie für eine Frau! Den möchte ich doch sehn, der Ihnen widerstehen könnte.
    Marwood
. Er hat mir schon zu lange widerstanden. Und gewiß, gewiß, ich will es ihm nicht vergeben, daß ich ihm fast zu Fuße gefallen wäre.
    Arabella
. O nein! Sie müssen ihm alles vergeben. Er ist ja so gut, so gut – –
    Marwood
. Schweig, kleine Närrin!
    Hannah
. Auf welcher Seite wußten Sie ihn nicht zu fassen! Aber nichts, glaube ich, rührte ihn mehr, als die Uneigennützigkeit, mit welcher Sie sich erboten, alle von ihm erhaltenen Geschenke zurück zu geben.
    Marwood
. Ich glaube es auch. Ha! ha! Verächtlich.
    Hannah
. Warum lachen Sie, Madam? Wenn es nicht Ihr Ernst war, so wagten Sie in der Tat sehr viel. Gesetzt, er hätte Sie bei Ihrem Worte gefaßt?
    Marwood
. O geh! man muß wissen, wen man vor sich hat.
    Hannah
. Nun das gesteh ich! Aber auch Sie, meine schöne Bella, haben Ihre Sache vortrefflich gemacht; vortrefflich!
    Arabella
. Warum das? Konnte ich sie denn anders machen? Ich hatte ihn ja so lange nicht gesehen. Sie sind doch nicht böse, Madam, daß ich ihn so lieb habe? Ich habe Sie so lieb, wie ihn; eben so lieb.
    Marwood
. Schon gut; dasmal will ich dir verzeihen, daß du mich nicht lieber hast als ihn.
    Arabella
. Dasmal? Schluchzend.
    Marwood
. Du weinst ja wohl gar? Warum denn?
    Arabella
. Ach nein! ich weine nicht. Werden Sie nur nicht ungehalten. Ich will Sie ja gern alle beide so lieb, so lieb haben, daß ich unmöglich, weder Sie noch ihn, lieber haben kann.
    Marwood
. Je nun ja!
    Arabella
. Ich bin recht unglücklich – –
    Marwood
. Sei doch nur stille – Aber was ist das?
    { ‡ }
Sechster Auftritt
    Mellefont. Marwood. Arabella. Hannah.
    Marwood
. Warum kommen Sie schon wieder, Mellefont? Sie steht auf.
    Mellefont
hitzig. Weil ich mehr nicht, als einige Augenblicke nötig hatte, wieder zu mir selbst zu kommen.
    Marwood
. Nun?
    Mellefont
. Ich war betäubt, Marwood, aber nicht bewegt. Sie haben alle Ihre Mühe verloren; eine andre Luft, als diese ansteckende Luft Ihres Zimmers, gab mir Mut und Kräfte wieder, meinen Fuß aus dieser gefährlichen Schlinge noch zeitig genug zu ziehen.

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