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Werke

Werke

Titel: Werke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gotthold Ephraim Lessing
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Schriftstellern gelegentlich angezogen, und werfen nicht das geringste Licht auf die Ökonomie des Stückes. (26) Aus dem einzigen, bei dem Polybius, welches eine Anrufung an die Göttin des Friedens ist, scheinet zu erhellen, daß zu der Zeit, in welche die Handlung gefallen, die Ruhe in dem Messenischen Staate noch nicht wieder hergestellet gewesen; und aus ein Paar andern sollte man fast schließen, daß die Ermordung des Kresphontes und seiner zwei ältern Söhne, entweder einen Teil der Handlung selbst ausgemacht habe, oder doch nur kurz vorhergegangen sei; welches beides sich mit der Erkennung des jüngern Sohnes, der erst verschiedene Jahre nachher seinen Vater und seine Brüder zu rächen kam, nicht wohl zusammen reimet. Die größte Schwierigkeit aber macht mir der Titel selbst. Wenn diese Erkennung, wenn diese Rache des jüngern Sohnes der vornehmste Inhalt gewesen: wie konnte das Stück Kresphontes heißen? Kresphontes war der Name des Vaters; der Sohn aber hieß nach einigen Aepytus, und nach andern Telephontes; vielleicht, daß jenes der rechte, und dieses der angenommene Name war, den er in der Fremde führte, um unerkannt und vor den Nachstellungen des Polyphonts sicher zu bleiben. Der Vater muß längst tot sein, wenn sich der Sohn des väterlichen Reiches wieder bemächtiget. Hat man jemals gehört, daß ein Trauerspiel nach einer Person benennet worden, die gar nicht darin vorkömmt? Corneille und Dacier haben sich geschwind über diese Schwierigkeit hinweg zu setzen gewußt, indem sie angenommen, daß der Sohn gleichfalls Kresphont geheißen; (27) aber mit welcher Wahrscheinlichkeit? aus welchem Grunde?
    Wenn es indes mit einer Entdeckung seine Richtigkeit hat, mit der sich Maffei schmeichelte: so können wir den Plan des Kresphontes ziemlich genau wissen. Er glaubte ihn nämlich bei dem Hyginus, in der hundert und vier und achtzigsten Fabel, gefunden zu haben. (28) Denn er hält die Fabeln des Hyginus überhaupt, größten Teils für nichts, als für die Argumente alter Tragödien, welcher Meinung auch schon vor ihm Reinesius gewesen war; und empfiehlt daher den neuern Dichtern, lieber in diesem verfallenen Schachte nach alten tragischen Fabeln zu suchen, als sich neue zu erdichten. Der Rat ist nicht übel, und zu befolgen. Auch hat ihn mancher befolgt, ehe ihn Maffei noch gegeben, oder ohne zu wissen, daß er ihn gegeben. Herr Weiß hat den Stoff zu seinem Thyest aus dieser Grube geholt; und es wartet da noch mancher auf ein verständiges Auge. Nur möchte es nicht der größte, sondern vielleicht gerade der allerkleinste Teil sein, der in dieser Absicht von dem Werke des Hyginus zu nutzen. Es braucht auch darum gar nicht aus den Argumenten der alten Tragödien zusammen gesetzt zu sein; es kann aus eben den Quellen, mittelbar oder unmittelbar, geflossen sein, zu welchen die Tragödienschreiber selbst ihre Zuflucht nahmen. Ja, Hyginus, oder wer sonst die Kompilation gemacht, scheinet selbst, die Tragödien als abgeleitete verdorbene Bäche betrachtet zu haben; indem er an verschiedenen Stellen das, was weiter nichts als die Glaubwürdigkeit eines tragischen Dichters vor sich hatte, ausdrücklich von der alten echtern Tradition absondert. So erzählt er, z. E. die Fabel von der Ino, und die Fabel von der Antiopa, zuerst nach dieser, und darauf in einem besondern Abschnitte, nach der Behandlung des Euripides.
    { ‡ }
Vierzigstes Stück
    Den 15ten September, 1767
    Damit will ich jedoch nicht sagen, daß, weil über der hundert und vier und achtzigsten Fabel der Name des Euripides nicht stehe, sie auch nicht aus dem Kresphont desselben könne gezogen sein. Vielmehr bekenne ich, daß sie wirklich den Gang und die Verwickelung eines Trauerspieles hat; so daß, wenn sie keines gewesen ist, sie doch leicht eines werden könnte, und zwar eines, dessen Plan der alten Simplizität weit näher käme, als alle neuere Meropen. Man urteile selbst: die Erzählung des Hyginus, die ich oben nur verkürzt angeführt, ist nach allen ihren Umständen folgende.
    Kresphontes war König von Messenien, und hatte mit seiner Gemahlin Merope drei Söhne, als Polyphontes einen Aufstand gegen ihn erregte, in welchem er, nebst seinen beiden ältesten Söhnen, das Leben verlor. Polyphontes bemächtigte sich hierauf des Reichs und der Hand der Merope, welche während dem Aufruhre Gelegenheit gefunden hatte, ihren dritten Sohn, Namens Telephontes, zu einem Gastfreunde in Ätolien in Sicherheit bringen zu lassen. Je mehr

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