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Werke

Werke

Titel: Werke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gotthold Ephraim Lessing
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in den Abgrund, –
    Essex
. Du erhebest mich bis zur Sonne, –
    Die Königin
. Ohne auf meine Hoheit zu achten.
    Essex
. Ohne meine Niedrigkeit zu erwägen.
    Die Königin
. Aber, weil du meines Herzens dich bemeistert: –
    Essex
. Aber, weil Du meiner Seele Dich bemächtiget: –
    Die Königin
. So stirb da, und komm nie auf die Zunge!
    Essex
. So stirb da, und komm nie über die Lippen! (81)
    (Ist das nicht eine sonderbare Art von Unterhaltung? Sie reden mit einander; und reden auch nicht mit einander. Der eine hört, was der andere nicht sagt, und antwortet auf das, was er nicht gehört hat. Sie nehmen einander die Worte nicht aus dem Munde, sondern aus der Seele. Man sage jedoch nicht, daß man ein Spanier sein muß, um an solchen unnatürlichen Künsteleien Geschmack zu finden. Noch vor einige dreißig Jahren fanden wir Deutsche eben so viel Geschmack daran; denn unsere Staats- und Helden-Aktionen wimmelten davon, die in allem nach den spanischen Mustern zugeschnitten waren.)
    Nachdem die Königin den Essex beurlaubet und ihm befohlen, ihr bald wieder aufzuwarten, gehen beide auf verschiedene Seiten ab, und machen dem ersten Aufzuge ein Ende. – Die Stücke der Spanier, wie bekannt, haben deren nur drei, welche sie Jornadas, Tagewerke, nennen. Ihre allerältesten Stücke hatten viere: sie krochen, sagt Lope de Vega, auf allen vieren, wie Kinder; denn es waren auch wirklich noch Kinder von Komödien. Virues war der erste, welcher die vier Aufzüge auf drei brachte; und Lope folgte ihm darin, ob er schon die ersten Stücke seiner Jugend, oder vielmehr seiner Kindheit, ebenfalls in vieren gemacht hatte. Wir lernen dieses aus einer Stelle in des letztern Neuen Kunst, Komödien zu machen; (82) mit der ich aber eine Stelle des Cervantes in Widerspruch finde, (83) wo sich dieser den Ruhm anmaßt, die spanische Komödie von fünf Akten, aus welchen sie sonst bestanden, auf drei gebracht zu haben. Der spanische Litterator mag diesen Widerspruch entscheiden; ich will mich dabei nicht aufhalten.
    { ‡ }
Drei und sechzigstes Stück
    Den 8ten Dezember, 1767
    Die Königin ist von dem Landgute zurückgekommen; und Essex gleichfalls. Sobald er in London angelangt, eilte er nach Hofe, um sich keinen Augenblick vermissen zu lassen. Er eröffnet mit seinem Cosme den zweiten Akt, der in dem Königlichen Schlosse spielt. Cosme hat, auf Befehl des Grafen, sich mit Pistolen versehen müssen; der Graf hat heimliche Feinde; er besorgt, wenn er des Nachts spät vom Schlosse gehe, überfallen zu werden. Er heißt den Cosme, die Pistolen nur indes in das Zimmer der Blanca zu tragen, und sie von Floren aufheben zu lassen. Zugleich bindet er die Schärpe los, weil er zur Blanca gehen will. Blanca ist eifersüchtig; die Schärpe könnte ihr Gedanken machen; sie könnte sie haben wollen; und er würde sie ihr abschlagen müssen. Indem er sie dem Cosme zur Verwahrung übergibt, kömmt Blanca dazu. Cosme will sie geschwind verstecken; aber es kann so geschwind nicht geschehen, daß es Blanca nicht merken sollte. Blanca nimmt den Grafen mit sich zur Königin; und Essex ermahnt im Abgehen den Cosme, wegen der Schärpe reinen Mund zu halten, und sie niemanden zu zeigen.
    Cosme hat, unter seinen andern guten Eigenschaften, auch diese, daß er ein Erzplauderer ist. Er kann kein Geheimnis eine Stunde bewahren; er fürchtet ein Geschwär im Leibe davon zu bekommen; und das Verbot des Grafen hat ihn zu rechter Zeit erinnert, daß er sich dieser Gefahr bereits sechs und dreißig Stunden ausgesetzt habe. (84) Er gibt Floren die Pistolen, und hat den Mund schon auf, ihr auch die ganze Geschichte, von der maskierten Dame und der Schärpe, zu erzählen. Doch eben besinnt er sich, daß es wohl eine würdigere Person sein müsse, der er sein Geheimnis zuerst mitteile. Es würde nicht lassen, wenn sich Flora rühmen könnte, ihn dessen defloriert zu haben. (85) (Ich muß von allerlei Art des spanischen Witzes eine kleine Probe einzuflechten suchen.)
    Cosme darf auf diese würdigere Person nicht lange warten. Blanca wird von ihrer Neugierde viel zu sehr gequält, daß sie sich nicht, sobald als möglich, von dem Grafen losmachen sollen, um zu erfahren, was Cosme vorhin so hastig von ihr zu verbergen gesucht. Sie kömmt also sogleich zurück, und nachdem sie ihn zuerst gefragt, warum er nicht schon nach Schottland abgegangen, wohin ihn der Graf schicken wollen, und er ihr geantwortet, daß er mit anbrechendem Tage abreisen werde: verlangt sie zu wissen, was

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