Werke
so lange zurückgehaltene Sturm auf einmal aus. Sie verhöhnet das leichtgläubige Mädchen auf das empfindlichste, und verbietet ihr schlechterdings, an den Grafen weiter zu denken. Blanca errät ohne Mühe, daß dieser Eifer der Königin, Eifersucht sein müsse: und gibt es ihr zu verstehen.
Die Königin
. Eifersucht? – Nein; bloß deine Aufführung entrüstet mich. – Und gesetzt, – ja gesetzt, ich liebte den Grafen. Wenn ich, – Ich ihn liebte, und eine andere wäre so vermessen, so töricht, ihn neben mir zu lieben, – was sage ich, zu lieben? – ihn nur anzusehen, – was sage ich, anzusehen? – sich nur einen Gedanken von ihm in den Sinn kommen zu lassen: das sollte dieser andern nicht das Leben kosten? – Du siehest, wie sehr mich eine bloß vorausgesetzte, erdichtete Eifersucht aufbringt: urteile daraus, was ich bei einer wahren tun würde. Itzt stelle ich mich nur eifersüchtig: hüte dich, mich es wirklich zu machen! (95)
Mit dieser Drohung geht die Königin ab, und läßt Blanca in der äußersten Verzweiflung. Dieses fehlte noch zu den Beleidigungen, über die sich Blanca bereits zu beklagen hatte. Die Königin hat ihr Vater und Bruder und Vermögen genommen: und nun will sie ihr auch den Grafen nehmen. Die Rache war schon beschlossen; aber warum soll Blanca noch erst warten, bis sie ein anderer für sie vollzieht? Sie will sie selbst bewerkstelligen, und noch diesen Abend. Als Kammerfrau der Königin, muß sie sie auskleiden helfen; da ist sie mit ihr allein; und es kann ihr an Gelegenheit nicht fehlen. – Sie sieht die Königin mit dem Kanzler wiederkommen, und geht, sich zu ihrem Vorhaben gefaßt zu machen.
Der Kanzler hält verschiedne Briefschaften, die ihm die Königin nur auf einen Tisch zu legen befiehlt; sie will sie vor Schlafengehen noch durchsehen. Der Kanzler erhebt die außerordentliche Wachsamkeit, mit der sie ihren Reichsgeschäften obliege; die Königin erkennt es für ihre Pflicht, und beurlaubet den Kanzler. Nun ist sie allein, und setzt sich zu den Papieren. Sie will sich ihres verliebten Kummers entschlagen, und anständigern Sorgen überlassen. Aber das erste Papier, was sie in die Hände nimmt, ist die Bittschrift eines Grafen Felix. Eines Grafen! »Muß es denn eben, sagt sie, von einem Grafen sein, was mir zuerst vorkömmt!« Dieser Zug ist vortrefflich. Auf einmal ist sie wieder mit ihrer ganzen Seele bei demjenigen Grafen, an den sie itzt nicht denken wollte. Seine Liebe zur Blanca ist ein Stachel in ihrem Herzen, der ihr das Leben zur Last macht. Bis sie der Tod von dieser Marter befreie, will sie bei dem Bruder des Todes Linderung suchen: und so fällt sie in Schlaf.
Indem tritt Blanca herein, und hat eine von den Pistolen des Grafen, die sie in ihrem Zimmer gefunden. (Der Dichter hatte sie, zu Anfange dieses Akts, nicht vergebens dahin tragen lassen.) Sie findet die Königin allein und entschlafen: was für einen bequemern Augenblick könnte sie sich wünschen? Aber eben hat der Graf die Blanca gesucht, und sie in ihrem Zimmer nicht getroffen. Ohne Zweifel errät man, was nun geschieht. Er kömmt also, sie hier zu suchen; und kömmt eben noch zurecht, der Blanca in den mörderischen Arm zu fallen, und ihr die Pistole, die sie auf die Königin schon gespannt hat, zu entreißen. Indem er aber mit ihr ringt, geht der Schuß los: die Königin erwacht, und alles kömmt aus dem Schlosse herzugelaufen.
Die Königin
im Erwachen. Ha! Was ist das?
Der Kanzler
. Herbei, herbei! Was war das für ein Knall, in dem Zimmer der Königin? Was geschieht hier?
Essex
mit der Pistole in der Hand. Grausamer Zufall!
Die Königin
. Was ist das, Graf?
Essex
. Was soll ich tun?
Die Königin
. Blanca, was ist das?
Blanca
. Mein Tod ist gewiß!
Essex
. In welcher Verwirrung befinde ich mich!
Der Kanzler
. Wie? der Graf ein Verräter?
Essex
bei Seite. Wozu soll ich mich entschließen? Schweige ich: so fällt das Verbrechen auf mich. Sage ich die Wahrheit: so werde ich der nichtswürdige Verkläger meiner Geliebten, meiner Blanca, meiner teuersten Blanca.
Die Königin
. Sind Sie der Verräter, Graf? Bist du es, Blanca? Wer von euch war mein Retter? wer mein Mörder? Mich dünkt, ich hörte im Schlafe euch beide rufen: Verräterin! Verräter! Und doch kann nur eines von euch diesen Namen verdienen. Wenn eines von euch mein Leben suchte, so bin ich es dem andern schuldig. Wem bin ich es schuldig, Graf? Wer suchte es, Blanca? Ihr schweigt? – Wohl, schweigt nur! Ich will in dieser
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