Werke
Ungewißheit bleiben; ich will den Unschuldigen nicht wissen, um den Schuldigen nicht zu kennen. Vielleicht dürfte es mich eben so sehr schmerzen, meinen Beschützer zu erfahren, als meinen Feind. Ich will der Blanca gern ihre Verräterei vergeben, ich will sie ihr verdanken: wenn dafür der Graf nur unschuldig war. (96)
Aber der Kanzler sagt: wenn es die Königin schon hierbei wolle bewenden lassen, so dürfe er es doch nicht; das Verbrechen sei zu groß; sein Amt erfodere, es zu ergründen; besonders da aller Anschein sich wider den Grafen erkläre.
Die Königin
. Der Kanzler hat Recht; man muß es untersuchen. – Graf, –
Essex
. Königin! –
Die Königin
. Bekennen Sie die Wahrheit. – Bei Seite. Aber wie sehr fürchtet meine Liebe, sie zu hören! – War es Blanca?
Essex
. Ich Unglücklicher!
Die Königin
. War es Blanca, die meinen Tod wollte?
Essex
. Nein, Königin; Blanca war es nicht.
Die Königin
. Sie waren es also?
Essex
. Schreckliches Schicksal! – Ich weiß nicht.
Die Königin
. Sie wissen es nicht? – Und wie kömmt dieses mörderische Werkzeug in Ihre Hand? –
Der Graf schweigt, und die Königin befiehlt, ihn nach dem Tower zu bringen. Blanca, bis sich die Sache mehr aufhellet, soll in ihrem Zimmer bewacht werden. Sie werden abgeführt, und der zweite Aufzug schließt.
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Sechs und sechzigstes Stück
Den 18ten Dezember, 1767
Der dritte Aufzug fängt sich mit einer langen Monologe der Königin an, die allen Scharfsinn der Liebe aufbietet, den Grafen unschuldig zu finden. Die Vielleicht werden nicht gespart, um ihn weder als ihren Mörder, noch als den Liebhaber der Blanca denken zu dürfen. Besonders geht sie mit den Voraussetzungen wider die Blanca ein wenig sehr weit; sie denkt über diesen Punkt überhaupt lange so zärtlich und sittsam nicht, als wir es wohl wünschen möchten, und als sie auf unsern Theatern denken müßte. (97)
Es kommen der Herzog, und der Kanzler: jener, ihr seine Freude über die glückliche Erhaltung ihres Lebens zu bezeigen; dieser, ihr einen neuen Beweis, der sich wider den Essex äußert, vorzulegen. Auf der Pistole, die man ihm aus der Hand genommen, steht sein Name; sie gehört ihm; und wem sie gehört, der hat sie unstreitig auch brauchen wollen.
Doch nichts scheinet den Essex unwidersprechlicher zu verdammen, als was nun erfolgt. Cosme hat, bei anbrechendem Tage, mit dem bewußten Briefe nach Schottland abgehen wollen, und ist angehalten worden. Seine Reise sieht einer Flucht sehr ähnlich, und eine solche Flucht läßt vermuten, daß er an dem Verbrechen seines Herrn Anteil könne gehabt haben. Er wird also vor den Kanzler gebracht, und die Königin befiehlt, ihn in ihrer Gegenwart zu verhören. Den Ton, in welchem sich Cosme rechtfertiget, kann man leicht erraten. Er weiß von nichts; und als er sagen soll, wo er hingewollt, läßt er sich um die Wahrheit nicht lange nötigen. Er zeigt den Brief, den ihm sein Graf, an einen andern Grafen nach Schottland zu überbringen befohlen: und man weiß, was dieser Brief enthält. Er wird gelesen, und Cosme erstaunt nicht wenig, als er hört, wohin es damit abgesehen gewesen. Aber noch mehr erstaunt er über den Schluß desselben, worin der Überbringer ein Vertrauter heißt, durch den Roberto seine Antwort sicher bestellen könne. »Was höre ich? ruft Cosme. Ich ein Vertrauter? Bei diesem und jenem! ich bin kein Vertrauter; ich bin niemals einer gewesen, und will auch in meinem Leben keiner sein. – Habe ich wohl das Ansehen zu einem Vertrauten? Ich möchte doch wissen, was mein Herr an mir gefunden hätte, um mich dafür zu nehmen. Ich, ein Vertrauter, ich, dem das geringste Geheimnis zur Last wird? Ich weiß, zum Exempel, daß Blanca und mein Herr einander lieben, und daß sie heimlich mit einander verheiratet sind: es hat mir schon lange das Herz abdrücken wollen; und nun will ich es nur sagen, damit Sie hübsch sehen, meine Herren, was für ein Vertrauter ich bin. Schade, daß es nicht etwas viel wichtigeres ist: ich würde es eben so wohl sagen.« (98) Diese Nachricht schmerzt die Königin nicht weniger, als die Überzeugung, zu der sie durch den unglücklichen Brief von der Verräterei des Grafen gelangt. Der Herzog glaubt, nun auch sein Stillschweigen brechen zu müssen, und der Königin nicht länger zu verbergen, was er in dem Zimmer der Blanca zufälliger Weise angehört habe. Der Kanzler dringt auf die Bestrafung des Verräters, und sobald die Königin wieder allein ist, reizen sie
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