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Werke

Werke

Titel: Werke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gotthold Ephraim Lessing
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besser, auch nur nach diesen mit einer beständigen Gleichförmigkeit zu handeln, als nach gar keinen. Stücke, welche die klassischen Regeln nicht beobachten, können doch noch immer Regeln beobachten, und müssen dergleichen beobachten, wenn sie gefallen wollen. Diese also, aus dem bloßen Nationalgeschmacke hergenommen, wollte er festsetzen; und so ward die Verbindung des Ernsthaften und Lächerlichen die erste.
    »Auch Könige, sagt er, könnet ihr in euern Komödien auftreten lassen. Ich höre zwar, daß unser weiser Monarch (Philipp der zweite) dieses nicht gebilliget; es sei nun, weil er einsahe, daß es wider die Regeln laufe, oder weil er es der Würde eines Königes zuwider glaubte, so mit unter den Pöbel gemengt zu werden. Ich gebe auch gern zu, daß dieses wieder zur ältesten Komödie zurückkehren heißt, die selbst Götter einführte; wie unter andern in dem Amphitruo des Plautus zu sehen: und ich weiß gar wohl, daß Plutarch, wenn er von Menandern redet, die älteste Komödie nicht sehr lobt. Es fällt mir also freilich schwer, unsere Mode zu billigen. Aber da wir uns nun einmal in Spanien so weit von der Kunst entfernen: so müssen die Gelehrten schon auch hierüber schweigen. Es ist wahr, das Komische mit dem Tragischen vermischet, Seneca mit dem Terenz zusammengeschmolzen, gibt kein geringeres Ungeheuer, als der Minotaurus der Pasiphae war. Doch diese Abwechselung gefällt nun einmal; man will nun einmal keine andere Stücke sehen, als die halb ernsthaft und halb lustig sind; die Natur selbst lehrt uns diese Mannigfaltigkeit, von der sie einen Teil ihrer Schönheit entlehnet.« (110) Die letzten Worte sind es, weswegen ich diese Stelle anführe. Ist es wahr, daß uns die Natur selbst, in dieser Vermengung des Gemeinen und Erhabnen, des Possierlichen und Ernsthaften, des Lustigen und Traurigen, zum Muster dienet? Es scheinet so. Aber wenn es wahr ist, so hat Lope mehr getan, als er sich vornahm; er hat nicht bloß die Fehler seiner Bühne beschöniget; er hat eigentlich erwiesen, daß wenigstens dieser Fehler keiner ist; denn nichts kann ein Fehler sein, was eine Nachahmung der Natur ist.
    »Man tadelt,« sagt einer von unsern neuesten Skribenten, »an Shakespeare, – demjenigen unter allen Dichtern seit Homer, der die Menschen, vom Könige bis zum Bettler, und von Julius Cäsar bis zu Jak Fallstaff, am besten gekannt, und mit einer Art von unbegreiflicher Intuition durch und durch gesehen hat, – daß seine Stücke keinen, oder doch nur einen sehr fehlerhaften unregelmäßigen und schlecht ausgesonnenen Plan haben; daß komisches und tragisches darin auf die seltsamste Art durch einander geworfen ist, und oft eben dieselbe Person, die uns durch die rührende Sprache der Natur, Tränen in die Augen gelockt hat, in wenigen Augenblicken darauf uns durch irgend einen seltsamen Einfall oder barockischen Ausdruck ihrer Empfindungen, wo nicht zu lachen macht, doch dergestalt abkühlt, daß es ihm hernach sehr schwer wird, uns wieder in die Fassung zu setzen, worin er uns haben möchte. – Man tadelt das, und denkt nicht daran, daß seine Stücke eben darin natürliche Abbildungen des menschlichen Lebens sind.
    Das Leben der meisten Menschen, und (wenn wir es sagen dürfen) der Lebenslauf der großen Staatskörper selbst, in so fern wir sie als eben so viel moralische Wesen betrachten, gleicht den Haupt- und Staats-Aktionen im alten gotischen Geschmacke in so vielen Punkten, daß man beinahe auf die Gedanken kommen möchte, die Erfinder dieser letztern wären klüger gewesen, als man gemeiniglich denkt, und hätten, wofern sie nicht gar die heimliche Absicht gehabt, das menschliche Leben lächezlich zu machen, wenigstens die Natur eben so getreu nachahmen wollen, als die Griechen sich angelegen sein ließen, sie zu verschönern. Um itzt nichts von der zufälligen Ähnlichkeit zu sagen, daß in diesen Stücken, so wie im Leben, die wichtigsten Rollen sehr oft gerade durch die schlechtesten Acteurs gespielt werden, – was kann ähnlicher sein, als es beide Arten der Haupt- und Staats-Aktionen einander in der Anlage, in der Abteilung und Disposition der Szenen, im Knoten und in der Entwicklung zu sein pflegen. Wie selten fragen die Urheber der einen und der andern sich selbst, warum sie dieses oder jenes gerade so und nicht anders gemacht haben? Wie oft überraschen sie uns durch Begebenheiten, zu denen wir nicht im mindesten vorbereitet waren? Wie oft sehen wir Personen kommen und wieder abtreten, ohne

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