Werke
und gewährt uns diesen Gegenstand, oder diese Verbindung verschiedener Gegenstände, so lauter und bündig, als es nur immer die Empfindung, die sie erregen sollen, verstattet.
Wenn wir Zeugen von einer wichtigen und rührenden Begebenheit sind, und eine andere von nichtigem Belange läuft quer ein: so suchen wir der Zerstreuung, die diese uns drohet, möglichst auszuweichen. Wir abstrahieren von ihr; und es muß uns notwendig ekeln, in der Kunst das wieder zu finden, was wir aus der Natur wegwünschten.
Nur wenn eben dieselbe Begebenheit in ihrem Fortgange alle Schattierungen des Interesse annimmt, und eine nicht bloß auf die andere folgt, sondern so notwendig aus der andern entspringt; wenn der Ernst das Lachen, die Traurigkeit die Freude, oder umgekehrt, so unmittelbar erzeugt, daß uns die Abstraktion des einen oder des andern unmöglich fällt: nur alsdenn verlangen wir sie auch in der Kunst nicht, und die Kunst weiß aus dieser Unmöglichkeit selbst Vorteil zu ziehen. –
Aber genug hiervon: man sieht schon, wo ich hinaus will. –
Den fünf und vierzigsten Abend (Freitags, den 17ten Julius,) wurden die Brüder des Hrn. Romanus, und das Orakel vom Saint-Foix gespielt.
Das erstere Stück kann für ein deutsches Original gelten, ob es schon, größten Teils, aus den Brüdern des Terenz genommen ist. Man hat gesagt, daß auch Moliere aus dieser Quelle geschöpft habe; und zwar seine Männerschule. Der Herr von Voltaire macht seine Anmerkungen über dieses Vorgeben: und ich führe Anmerkungen von dem Herrn von Voltaire so gern an! Aus seinen geringsten ist noch immer etwas zu lernen: wenn schon nicht allezeit das, was er darin sagt: wenigstens das, was er hätte sagen sollen. Primus sapientiae gradus est, falsa intelligere; (wo dieses Sprüchelchen steht, will mir nicht gleich beifallen) und ich wüßte keinen Schriftsteller in der Welt, an dem man es so gut versuchen könnte, ob man auf dieser ersten Stufe der Weisheit stehe, als an dem Herrn von Voltaire; aber daher auch keinen, der uns die zweite zu ersteigen, weniger behülflich sein könnte; secundus, vera cognoscere. Ein kritischer Schriftsteller, dünkt mich, richtet seine Methode auch am besten nach diesem Sprüchelchen ein. Er suche sich nur erst jemanden, mit dem er streiten kann: so kömmt er nach und nach in die Materie, und das übrige findet sich. Hierzu habe ich mir in diesem Werke, ich bekenne es aufrichtig, nun einmal die französischen Skribenten vornehmlich erwählet, und unter diesen besonders den Hrn. von Voltaire. Also auch itzt, nach einer kleinen Verbeugung, nur darauf zu! Wem diese Methode aber etwan mehr mutwillig als gründlich scheinen wollte: der soll wissen, daß selbst der gründliche Aristoteles sich ihrer fast immer bedient hat. Solet Aristoteles, sagt einer von seinen Auslegern, der mir eben zur Hand liegt, quaerere pugnam in suis libris. Atque hoc facit non temere, et casu, sed certa ratione atque consilio: nam labefactatis aliorum opinionibus, u.s.w. O des Pedanten! würde der Herr von Voltaire rufen. – Ich bin es bloß aus Mißtrauen in mich selbst.
»Die Brüder des Terenz, sagt der Herr von Voltaire, können höchstens die Idee zu der Männerschule gegeben haben. In den Brüdern sind zwei Alte von verschiedner Gemütsart, die ihre Söhne ganz verschieden erziehen; eben so sind in der Männerschule zwei Vormünder, ein sehr strenger und ein sehr nachsehender: das ist die ganze Ähnlichkeit. In den Brüdern ist fast ganz und gar keine Intrigue: die Intrigue in der Männerschule hingegen ist fein, und unterhaltend und komisch. Eine von den Frauenzimmern des Terenz, welche eigentlich die interessanteste Rolle spielen müßte, erscheinet bloß auf dem Theater, um nieder zu kommen. Die Isabelle des Moliere ist fast immer auf der Szene, und zeigt sich immer witzig und reizend, und verbindet sogar die Streiche, die sie ihrem Vormunde spielt, noch mit Anstand. Die Entwicklung in den Brüdern ist ganz unwahrscheinlich; es ist wider die Natur, daß ein Alter, der sechzig Jahre ärgerlich und streng und geizig gewesen, auf einmal lustig und höflich und freigebig werden sollte. Die Entwicklung in der Männerschule aber, ist die beste von allen Entwicklungen des Moliere; wahrscheinlich, natürlich, aus der Intrigue selbst hergenommen, und was ohnstreitig nicht das schlechteste daran ist, äußerst komisch.«
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Ein und siebzigstes Stück
Den 5ten Januar, 1768
Es scheinet nicht, daß der Herr von Voltaire, seit dem er aus
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