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Werke

Werke

Titel: Werke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gotthold Ephraim Lessing
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oder mit dem Andenken derselben ihren Undank zu verewigen.
    Die Königin
. Ich muß das letztere Gefahr laufen. – Denn wahrlich, mehr konnte ich, ohne Nachteil meiner Würde, für Sie nicht tun.
    Essex
. So muß ich dann sterben?
    Die Königin
. Ohnfehlbar. Die Frau wollte Sie retten; die Königin muß dem Rechte seinen Lauf lassen. Morgen müssen Sie sterben; und es ist schon morgen. Sie haben mein ganzes Mitleid; die Wehmut bricht mir das Herz; aber es ist nun einmal das Schicksal der Könige, daß sie viel weniger nach ihren Empfindungen handeln können, als andere. – Graf, ich empfehle Sie der Vorsicht!
    { ‡ }
Acht und sechzigstes Stück
    Den 25sten Dezember, 1767
    Noch einiger Wortwechsel zum Abschiede, noch einige Ausrufungen in der Stille: und beide, der Graf und die Königin, gehen ab; jedes von einer besondern Seite. Im Herausgehen, muß man sich einbilden, hat Essex Cosmen den Brief gegeben, den er an die Blanca geschrieben. Denn den Augenblick darauf kömmt dieser damit herein, und sagt, daß man seinen Herrn zum Tode führe; sobald es damit vorbei sei, wolle er den Brief, so wie er es versprochen, übergeben. Indem er ihn aber ansieht, erwacht seine Neugierde »Was mag dieser Brief wohl enthalten? Eine Eheverschreibung? die käme ein wenig zu spät. Die Abschrift von seinem Urteile? die wird er doch nicht der schicken, die es zur Witwe macht. Sein Testament? auch wohl nicht. Nun was denn?« Er wird immer begieriger; zugleich fällt ihm ein, wie es ihm schon einmal fast das Leben gekostet hätte, daß er nicht gewußt, was in dem Briefe seines Herrn stünde. »Wäre ich nicht, sagt er, bei einem Haare zum Vertrauten darüber geworden? Hohl der Geier die Vertrautschaft! Nein, das muß mir nicht wieder begegnen!« Kurz, Cosme beschließt, den Brief zu erbrechen; und erbricht ihn. Natürlich, daß ihn der Inhalt äußerst betroffen macht; er glaubt, ein Papier, das so wichtige und gefährliche Dinge enthalte, nicht geschwind genug los werden zu können; er zittert über den bloßen Gedanken, daß man es in seinen Händen finden könne, ehe er es freiwillig abgeliefert; und eilet, es geraden Weges der Königin zu bringen.
    Eben kömmt die Königin mit dem Kanzler heraus. Cosme will sie den Kanzler nur erst abfertigen lassen; und tritt bei Seite. Die Königin erteilt dem Kanzler den letzten Befehl zur Hinrichtung des Grafen; sie soll sogleich, und ganz in der Stille vollzogen werden; das Volk soll nichts davon erfahren, bis der geköpfte Leichnam ihm mit stummer Zunge Treue und Gehorsam zurufe. (106) Den Kopf soll der Kanzler in den Saal bringen, und, nebst dem blutigen Beile, unter einen Teppich legen lassen; hierauf die Großen des Reichs versammeln, um ihnen mit eins Verbrechen und Strafe zu zeigen, zugleich sie an diesem Beispiele ihrer Pflicht zu erinnern, und ihnen einzuschärfen, daß ihre Königin eben so strenge zu sein wisse, als sie gnädig sein zu können wünsche: und das alles, wie sie der Dichter sagen läßt, nach Gebrauch und Sitte des Landes. (107)
    Der Kanzler geht mit diesen Befehlen ab, und Cosme tritt die Königin an. »Diesen Brief, sagte er, hat mir mein Herr gegeben, ihn nach seinem Tode der Blanca einzuhändigen. Ich habe ihn aufgemacht, ich weiß selbst nicht warum; und da ich Dinge darin finde, die Ihro Majestät wissen müssen, und die dem Grafen vielleicht noch zu Statten kommen können: so bringe ich ihn Ihro Majestät, und nicht der Blanca.« Die Königin nimmt den Brief, und lieset: »Blanca, ich nahe mich meinem letzten Augenblicke; man will mir nicht vergönnen, mit dir zu sprechen: empfange also meine Ermahnung schriftlich. Aber vors erste lerne mich kennen; ich bin nie der Verräter gewesen, der ich dir vielleicht geschienen; ich versprach, dir in der bewußten Sache behülflich zu sein, bloß um der Königin desto nachdrücklicher zu dienen, und den Roberto, nebst seinen Anhängern, nach London zu locken. Urteile, wie groß meine Liebe ist, da ich dem ohngeachtet eher selbst sterben, als dein Leben in Gefahr setzen will. Und nun die Ermahnung: stehe von dem Vorhaben ab, zu welchem dich Roberto anreizet; du hast mich nun nicht mehr; und es möchte sich nicht alle Tage einer finden, der dich so sehr liebte, daß er den Tod des Verräters für dich sterben wollte.« (108) –
    Mensch! ruft die bestürzte Königin, was hast du mir da gebracht? Nun? sagt Cosme, bin ich noch ein Vertrauter? – »Eile, fliehe, deinen Herrn zu retten! Sage dem Kanzler, einzuhalten! –

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