Werke
Holla, Wache! bringt ihn augenblicklich vor mich, – den Grafen, – geschwind!« – Und eben wird er gebracht: sein Leichnam nämlich. So groß die Freude war, welche die Königin auf einmal überströmte, ihren Grafen unschuldig zu wissen: so groß sind nunmehr Schmerz und Wut, ihn hingerichtet zu sehen. Sie verflucht die Eilfertigkeit, mit der man ihren Befehl vollzogen: und Blanca mag zittern! –
So schließt sich dieses Stück, bei welchem ich meine Leser vielleicht zu lange aufgehalten habe. Vielleicht auch nicht. Wir sind mit den dramatischen Werken der Spanier so wenig bekannt; ich wüßte kein einziges, welches man uns übersetzt, oder auch nur Auszugsweise mitgeteilet hätte. Denn die Virginia des Augustino de Montiano y Luyando ist zwar spanisch geschrieben; aber kein spanisches Stück: ein bloßer Versuch in der korrekten Manier der Franzosen, regelmäßig aber frostig. Ich bekenne sehr gern, daß ich bei weiten so vorteilhaft nicht mehr davon denke, als ich wohl ehedem muß gedacht haben. (109) Wenn das zweite Stück des nämlichen Verfassers nicht besser geraten ist; wenn die neueren Dichter der Nation, welche eben diesen Weg betreten wollen, ihn nicht glücklicher betreten haben: so mögen sie mir es nicht übel nehmen, wenn ich noch immer lieber nach ihrem alten Lope und Calderon greife, als nach ihnen.
Die echten spanischen Stücke sind vollkommen nach der Art dieses Essex. In allen einerlei Fehler, und einerlei Schönheiten: mehr oder weniger; das versteht sich. Die Fehler springen in die Augen: aber nach den Schönheiten dürfte man mich fragen. – Eine ganz eigne Fabel; eine sehr sinnreiche Verwicklung; sehr viele, und sonderbare, und immer neue Theaterstreiche; die ausgespartesten Situationen; meistens sehr wohl angelegte und bis ans Ende erhaltene Charaktere; nicht selten viel Würde und Stärke im Ausdrucke. –
Das sind allerdings Schönheiten: ich sage nicht, daß es die höchsten sind; ich leugne nicht, daß sie zum Teil sehr leicht bis in das Romanenhafte, Abenteuerliche, Unnatürliche, können getrieben werden, daß sie bei den Spaniern von dieser Übertreibung selten frei sind. Aber man nehme den meisten französischen Stücken ihre mechanische Regelmäßigkeit: und sage mir, ob ihnen andere, als Schönheiten solcher Art, übrig bleiben? Was haben sie sonst noch viel Gutes, als Verwicklung, und Theaterstreiche und Situationen?
Anständigkeit: wird man sagen. – Nun ja; Anständigkeit. Alle ihre Verwicklungen sind anständiger, und einförmiger; alle ihre Theaterstreiche anständiger, und abgedroschner; alle ihre Situationen anständiger, und gezwungner. Das kömmt von der Anständigkeit!
Aber Cosme, dieser spanische Hanswurst; diese ungeheure Verbindung der pöbelhaftesten Possen mit dem feierlichsten Ernste; diese Vermischung des Komischen und Tragischen, durch die das spanische Theater so berüchtiget ist? Ich bin weit entfernt, diese zu verteidigen. Wenn sie zwar bloß mit der Anständigkeit stritte, – man versteht schon, welche Anständigkeit ich meine; – wenn sie weiter keinen Fehler hätte, als daß sie die Ehrfurcht beleidigte, welche die Großen verlangen, daß sie der Lebensart, der Etiquette, dem Zeremoniell, und allen den Gaukeleien zuwiderlief, durch die man den größern Teil der Menschen bereden will, daß es einen kleinern gäbe, der von weit besserm Stoffe sei, als er: so würde mir die unsinnigste Abwechslung von Niedrig auf Groß, von Aberwitz auf Ernst, von Schwarz auf Weiß, willkommner sein, als die kalte Einförmigkeit, durch die mich der gute Ton, die feine Welt, die Hofmanier, und wie dergleichen Armseligkeiten mehr heißen, unfehlbar einschläfert. Doch es kommen ganz andere Dinge hier in Betrachtung.
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Neun und sechzigstes Stück
Den 29sten Dezember, 1767
Lope de Vega, ob er schon als der Schöpfer des spanischen Theaters betrachtet wird, war es indes nicht, der jenen Zwitterton einführte. Das Volk war bereits so daran gewöhnt, daß er ihn wider Willen mit anstimmen mußte. In seinem Lehrgedichte, über die Kunst, neue Komödien zu machen, dessen ich oben schon gedacht, jammert er genug darüber. Da er sahe, daß es nicht möglich sei, nach den Regeln und Mustern der Alten für seine Zeitgenossen mit Beifall zu arbeiten: so suchte er der Regellosigkeit wenigstens Grenzen zu setzen; das war die Absicht dieses Gedichts. Er dachte, so wild und barbarisch auch der Geschmack der Nation sei, so müsse er doch seine Grundsätze haben; und es sei
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