Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Werke

Werke

Titel: Werke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gotthold Ephraim Lessing
Vom Netzwerk:
angenommen. Nun begreif ich nicht, warum unserm Verfasser diese Adoption mißfallen. Ich weiß nicht anders, als daß die Adoption auch unter uns, auch noch itzt gebräuchlich, und vollkommen auf den nämlichen Fuß gebräuchlich ist, wie sie es bei den Römern war. Dem ohngeachtet ist er davon abgegangen: bei ihm sind nur die zwei Alten Brüder, und jeder hat einen leiblichen Sohn, den er nach seiner Art erziehet. Aber, desto besser! wird man vielleicht sagen. So sind denn auch die zwei Alte wirkliche Väter; und das Stück ist wirklich eine Schule der Väter, d.i. solcher, denen die Natur die väterliche Pflicht aufgelegt, nicht solcher, die sie freiwillig zwar übernommen, die sich ihrer aber schwerlich weiter unterziehen, als es mit ihrer eignen Gemächlichkeit bestehen kann.
    Pater esse disce ab illis, qui vere sciunt!
    Sehr wohl! Nur Schade, daß durch Auflösung dieses einzigen Knoten, welcher bei dem Terenz den Aeschinus und Ktesipho unter sich, und beide mit dem Demea, ihrem Vater, verbindet, die ganze Maschine aus einander fällt, und aus einem allgemeinen Interesse zwei ganz verschiedene entstehen, die bloß die Konvenienz des Dichters, und keinesweges ihre eigene Natur zusammen hält!
    Denn ist Aeschinus nicht bloß der angenommene, sondern der leibliche Sohn des Micio, was hat Demea sich viel um ihn zu bekümmern? Der Sohn eines Bruders geht mich so nahe nicht an, als mein eigener. Wenn ich finde, daß jemand meinen eigenen Sohn verziehet, geschähe es auch in der besten Absicht von der Welt, so habe ich Recht, diesem gutherzigen Verführer mit aller der Heftigkeit zu begegnen, mit welcher, beim Terenz, Demea dem Micio begegnet. Aber wenn es nicht mein Sohn ist, wenn es der eigene Sohn des Verziehers ist, was kann ich mehr, was darf ich mehr, als daß ich diesen Verzieher warne, und wenn er mein Bruder ist, ihn öfters und ernstlich warne? Unser Verfasser setzt den Demea aus dem Verhältnisse, in welchem er bei dem Terenz stehet, aber er läßt ihm die nämliche Ungestümheit, zu welcher ihn doch nur jenes Verhältnis berechtigen konnte. Ja bei ihm schimpfet und tobet Demea noch weit ärger, als bei dem Terenz. Er will aus der Haut fahren, »daß er an seines Bruders Kinde Schimpf und Schande erleben muß.« Wenn ihm nun aber dieser antwortete: »Du bist nicht klug, mein lieber Bruder, wenn du glaubest, du könntest an meinem Kinde Schimpf und Schande erleben. Wenn mein Sohn ein Bube ist und bleibt, so wird, wie das Unglück, also auch der Schimpf nur meine sein. Du magst es mit deinem Eifer wohl gut meinen; aber er geht zu weit; er beleidiget mich. Falls du mich nur immer so ärgern willst, so komm mir lieber nicht über die Schwelle! u.s.w.« Wenn Micio, sage ich, dieses antwortete: nicht wahr, so wäre die Komödie auf einmal aus? Oder könnte Micio etwa nicht so antworten? Ja müßte er wohl eigentlich nicht so antworten?
    Wie viel schicklicher eifert Demea beim Terenz. Dieser Aeschinus, den er ein so lüderliches Leben zu führen glaubt, ist noch immer sein Sohn, ob ihn gleich der Bruder an Kindes Statt angenommen. Und dennoch bestehet der römische Micio weit mehr auf seinem Rechte als der deutsche. Du hast mir, sagt er, deinen Sohn einmal überlassen; bekümmere dich um den, der dir noch übrig ist;
    – – nam ambos curare, propemodum
    Reposcere illum est, quem dedisti – –
    Diese versteckte Drohung, ihm seinen Sohn zurück zu geben, ist es auch, die ihn zum Schweigen bringt; und doch kann Micio nicht verlangen, daß sie alle väterliche Empfindungen bei ihm unterdrücken soll. Es muß den Micio zwar verdrießen, daß Demea auch in der Folge nicht aufhört, ihm immer die nämlichen Vorwürfe zu machen: aber er kann es dem Vater doch auch nicht verdenken, wenn er seinen Sohn nicht gänzlich will verderben lassen. Kurz, der Demea des Terenz ist ein Mann, der für das Wohl dessen besorgt ist, für den ihm die Natur zu sorgen aufgab; er tut es zwar auf die unrechte Weise, aber die Weise macht den Grund nicht schlimmer. Der Demea unsers Verfassers hingegen ist ein beschwerlicher Zänker, der sich aus Verwandtschaft zu allen Grobheiten berechtiget glaubt, die Micio auf keine Weise an dem bloßen Bruder dulden müßte.
    { ‡ }
Acht und neunzigstes Stück
    Den 8ten April, 1768
    Eben so schielend und falsch wird, durch Aufhebung der doppelten Brüderschaft, auch das Verhältnis der beiden jungen Leute. Ich verdenke es dem deutschen Aeschinus, daß er (164) »vielmals an den Torheiten des Ktesipho

Weitere Kostenlose Bücher