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Werke

Werke

Titel: Werke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gotthold Ephraim Lessing
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GOttes zu berufen, ohne zu überlegen, ob der vorhabende Fall auch ein Gegenstand des göttlichen Willens habe sein können?
    Wenn ich also glauben könnte, der Konzipient der Akademischen Aufgabe habe schlechterdings in den Worten Alles ist gut ein System zu finden verlangt; so würde ich billig fragen, ob er auch das Wort System in der strengen Bedeutung nehme, die es eigentlich haben soll? Allein er kann mit Recht begehren, daß man sich mehr an seinen Sinn, als an seine Worte halte. Besonders alsdenn, wenn der wahre Sinn, der falschen Worte ungeachtet durchstrahlet, wie es hier in den nähern Bestimmungen des Satzes hinlänglich geschiehet.
    Diesem zu folge stelle ich mir also vor, die Akademie verlange eine Untersuchung desjenigen Systems, welches Pope erfunden oder angenommen habe, um die Wahrheit: daß alles gut sei, dadurch zu erhärten, oder daraus herzuleiten, oder wie man sonst sagen will. Nur muß man nicht sagen, daß das System in diesen Worten liegen solle. Es liegt nicht eigentlicher darinne, als die Prämissen in einer Konklusion liegen, deren zu eben derselben eine unendliche Menge sein können.
    Vielleicht wird man es mir verdenken, daß ich mich bei dieser Kleinigkeit aufgehalten habe. – – Zur Sache also! Eine Untersuchung des Popischen Systems – –
    Ich habe nicht darüber nachdenken können, ohne mich vorher mit einem ziemlichen Erstaunen gefragt zu haben: wer ist Pope ? – – – Ein Dichter – – – Ein Dichter? Was macht Saul unter den Propheten? Was macht ein Dichter unter den Metaphysikern?
    Doch ein Dichter braucht nicht alle Zeit ein Dichter zu sein. Ich sehe keinen Widerspruch, daß er nicht auch ein Philosoph sein könne. Ebenderselbe, welcher in dem Frühlinge seines Lebens unter Liebesgöttern und Grazien, unter Musen und Faunen, mit dem Thyrsus in der Hand, herum geschwärmt; eben derselbe kann sich ja leicht in dem reifen Herbste seiner Jahre, in den philosophischen Mantel einhüllen, und jugendlichen Scherz mit männlichem Ernst abwechseln lassen. Diese Veränderung ist der Art, wie sich die Kräfte unserer Seelen entwickeln, gemäß genug.
    Doch eine andere Frage machte diese Ausflucht zu nichte. – – Wenn? Wo hat Pope den Metaphysiker gespielt, den ich ihm nicht zutraue? – – Eben, als er seine Stärke in der Dichtkunst am meisten zeigte. In einem Gedichte. In einem Gedichte also, und zwar in einem Gedichte, das diesen Namen nach aller Strenge verdient, hat er ein System aufgeführet, welches eine ganze Akademie der Untersuchung wert erkennet? So sind also bei ihm der Poet und der strenge Philosoph – – strenger aber als der systematische kann keiner sein – – nicht zwei mit einander abwechselnde Gestalten, sondern er ist beides zugleich; er ist das eine, indem er das andere ist?
    Dieses wollte mir schwer ein – – Gleichwohl suchte ich mich auf alle Art davon zu überzeugen. Und endlich behielten folgende Gedanken Platz, die ich eine
    Vorläufige Untersuchung,
Ob ein Dichter, als ein Dichter, ein System haben könne?
    nennen will.
    Hier hätte ich vielleicht Gelegenheit eine Erklärung des Worts System voraus zu schicken. Doch ich bleibe bei der Bescheidenheit, die ich schon oben verraten habe. Es ist so ungeziemend, als unnötig, einer Versammlung von Philosophen, das ist, einer Versammlung systematischer Köpfe zu sagen, was ein System sei?
    Kaum daß es sich schickte, ihr zu sagen, was ein Gedicht sei; wenn dieses Wort nicht auf so verschiedene Art erklärt worden wäre, und ich nicht zeigen müßte, welche ich zu meiner Untersuchung für die bequemste hielte.
    Ein Gedicht ist eine vollkommene sinnliche Rede. Man weiß, wie vieles die Worte vollkommen und sinnlich in sich fassen, und wie sehr diese Erklärung allen andern vorgezogen zu werden verdienet, wenn man von der Natur der Poesie weniger seicht urteilen will.
    Ein System also und eine sinnliche Rede – Noch fällt der Widerspruch dieser zwei Dinge nicht deutlich genug in die Augen. Ich werde mich auf den besondern Fall einschließen müssen, auf welchen es eben hier ankömmt; und für das System überhaupt, ein metaphysisches setzen.
    Ein System metaphysischer Wahrheiten also, und eine sinnliche Rede; beides in einem – – Ob diese wohl einander aufreiben?
    Was muß der Metaphysiker vor allen Dingen tun? – – Er muß die Worte, die er brauchen will, erklären; er muß sie nie in einem andern Verstande, als in dem erklärten anwenden; er muß sie mit keinen, dem Scheine nach

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