Werke
wenn diese zwanzig Schlüsse nur untrüglich sind. Genug, daß er alles in einen Zusammenhang gebracht hat; genug daß er diesen Zusammenhang mit einem Blicke, als ein Ganzes zu übersehen vermag, ohne sich bei den feinen Verbindungen desselben aufzuhalten.
Allein ganz anders denkt der Dichter. Alles was er sagt, soll gleich starken Eindruck machen; alle seine Wahrheiten sollen gleich überzeugend rühren. Und dieses zu können, hat er kein ander Mittel, als diese Wahrheit nach diesem System, und jene nach einem andern auszudrücken. – – Er spricht mit dem Epikur, wo er die Wollust erheben will, und mit der Stoa, wo er die Tugend preisen soll. Die Wollust würde in den Versen eines Seneca, wenn er überall genau bei seinen Grundsätzen bleiben wollte, einen sehr traurigen Aufzug machen; eben so gewiß, als die Tugend, in den Liedern eines sich immer gleichen Epikurers, ziemlich das Ansehen einer Metze haben würde.
Jedoch ich will den Einwendungen Platz geben, die man hierwider machen könnte. Ich will mir es gefallen lassen; Pope mag eine Ausnahme sein. Er mag Geschicklichkeit und Willen genug besessen haben, in seinem Gedichte, wo nicht ein System völlig zu entwerfen, wenigstens mit den Fingern auf ein gewisses zu zeigen. Er mag sich nur auf diejenigen Wahrheiten eingeschränkt haben, die sich nach diesem System sinnlich vortragen lassen. Er mag die übrigen um so viel eher übergangen sein, da es ohnedem die Pflicht eines Dichters nicht ist, alles zu erschöpfen.
Wohl! Es muß sich ausweisen; und es wird sich nicht besser ausweisen können, als wenn ich mich genau an die von der Akademie vorgeschriebenen Punkte halte. Diesen gemäß wird meine Abhandlung aus drei Abschnitten bestehen, welchen ich zuletzt einige historisch kritische Anmerkungen beifügen will.
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Erster Abschnitt
Sammlung derjenigen Sätze, in welchen das Popische System liegen müßte
Man darf diese Sätze fast nirgends anders als in dem ganzen ersten Briefe, und in dem vierten, hin und wieder, suchen.
Ich habe keinen einzigen übergangen, der nur in etwas eine systematische Miene machte, und ich zweifele ob man außer folgenden Dreizehn noch einen antreffen wird, welcher in dieser Absicht in Betrachtung gezogen zu werden verdiente.
Die Ordnung nach welcher ich sie hersetzen will, ist nicht die Ordnung, welcher Pope in dem Vortrage gefolget ist. Sondern es ist die, welcher Pope im Denken muß gefolget sein; wenn er anders einer gefolgt ist.
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Erster Satz
Von allen möglichen Systemen muß Gott das beste geschaffen haben.
Dieser Satz gehört Popen nicht eigentümlich zu; vielmehr zeigen seine Worte deutlich genug, daß er ihn als ausgemacht annimmt, und von einem andern entlehnet.
1. B. Z. 43. 44
Of Systems possible, if ’tis confest,
That Wisdom infinite must form the best etc.
Das ist: wenn man zugestehen muß, daß eine unendliche Weisheit aus allen mögligsten Systemen das beste erschaffen müsse. Wenn kann hier keine Ungewißheit anzeigen; sondern, weil er seine übrigen Sätze aus dieser Bedingung folgert, so muß es hier eben das sein, als wenn er gesagt hätte: da man notwendig gestehen muß etc.
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Zweiter Satz
In diesem besten System, muß alles zusammenhangen, wenn nicht alles in einander fallen soll.
1. B. Z. 45
Where all must fall, or all coherent be.
In dem gemeinen Exemplare, welches ich vor mir habe, heißt die letzte Hälfte dieser Zeile: or not coherent be. Ich vermute nicht ohne Grund, daß es an statt not, all heißen müsse. Gesetzt aber Pope habe wirklich not geschrieben, so kann doch auch alsdenn kein anderer Sinn darinne liegen, als der, welchen ich in dem Satze ausgedrückt habe. – – Es kömmt hier nur noch darauf an, was Pope unter dem Zusammenhange in der Welt verstehe. Er erklärt sich zwar nicht ausdrücklich darüber; verschiedene Stellen aber zeigen, daß er diejenige Einrichtung darunter verstehe, nach welcher alle Grade der Vollkommenheit in der Welt besetzt wären, ohne daß irgendwo eine Lücke anzutreffen sei. Er setzt daher zu den angeführten Worten hinzu (Z. 46) and all that rises, rise in due degree. d.h. mit dem vorhergehenden zusammen genommen: Es muß alles in einander fallen, oder alles zusammenhangen, und was sich erhebt, muß sich in dem gebührenden Grade erheben. Folglich findet er den Zusammenhang darin, daß sich alles stufenweis in der Welt erhebe. Und ferner sagt er: (Z. 233) wenn einige Wesen vollkommen werden sollen; so müssen entweder die
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