Werke
gleichgültigen, verwechseln.
Welches von diesen beobachtet der Dichter? Keines. Schon der Wohlklang ist ihm eine hinlängliche Ursache, einen Ausdruck für den andern zu wählen, und die Abwechslung synonymischer Worte ist ihm eine Schönheit.
Man füge hierzu den Gebrauch der Figuren – Und worin bestehet das Wesen derselben? – – Darin, daß sie nie bei der strengen Wahrheit bleiben; daß sie bald zu viel, und bald zu wenig sagen – – Nur einem Metaphysiker, von der Gattung eines Böhmens , kann man sie verzeihen.
Und die Ordnung des Metaphysikers? – – Er geht, in beständigen Schlüssen, immer von dem leichtern, zu dem schwerern fort; er nimmt sich nichts vorweg; er holet nichts nach. Wenn man die Wahrheiten auf eine sinnliche Art auseinander könnte wachsen sehen: so würde ihr Wachstum eben dieselben Staffeln beobachten, die er uns in der Überzeugung von derselben hinauf gehen läßt.
Allein Ordnung! Was hat der Dichter damit zu tun? Und noch dazu eine so sklavische Ordnung. Nichts ist der Begeisterung eines wahren Dichters mehr zuwider.
Man würde mich schwerlich diese kaum berührten Gedanken weiter ausführen lassen, ohne mir die Erfahrung entgegen zu setzen. Allein auch die Erfahrung ist auf meiner Seite. Sollte man mich also fragen, ob ich den Lucrez kenne; ob ich wisse, daß seine Poesie das System des Epikurs enthalte? Sollte man mir andere seines gleichen anführen; so würde ich ganz zuversichtlich antworten: Lucrez und seines gleichen, sind Versmacher, aber keine Dichter. Ich leugne nicht, daß man ein System in ein Sylbenmaß, oder auch in Reime bringen könne; sondern ich leugne daß dieses in ein Sylbenmaß oder in Reime gebrachte System ein Gedicht sein werde. – – Man erinnere sich nur, was ich unter einem Gedichte verstehe; und was alles in dem Begriffe einer sinnlichen Rede liegt. Er wird schwerlich in seinem ganzen Umfange auf die Poesie irgend eines Dichters eigentlicher anzuwenden sein, als auf die Popische.
Der Philosoph, welcher auf den Parnaß hinaufsteiget, und der Dichter, welcher sich in die Täler der ernsthaften und ruhigen Weisheit hinabbegeben will, treffen einander gleich auf dem halben Wege, wo sie, so zu reden, ihre Kleidung verwechseln, und wieder zurückgehen. Jeder bringt des andern! Gestalt in seine Wohnungen mit sich; weiter aber auch nichts, als die Gestalt. Der Dichter ist ein philosophischer Dichter, und der Weltweise ein poetischer Weltweise geworden. Allein ein philosophischer Dichter ist darum noch kein Philosoph, und ein poetischer Weltweise ist darum noch kein Poet.
Aber so sind die Engländer. Ihre großen Geister sollen immer die größten, und ihre seltnen Köpfe sollen immer Wunder sein. Es schien ihnen nicht Ruhms gnug, Popen den vortrefflichsten philosophischen Dichter zu nennen. Sie wollen, daß er ein eben so großer Philosoph als Poet sei. Das ist: sie wollen das Unmögliche, oder sie wollen Popen als Poet um ein großes erniedrigen. Doch das letztere wollen sie gewiß nicht; sie wollen also das erstere.
Bisher habe ich gezeigt – – wenigstens zeigen wollen – – daß ein Dichter, als Dichter, kein System machen könne. Nunmehr will ich zeigen, daß er auch keines machen will ; gesetzt auch, er könnte; gesetzt auch, meine Schwierigkeiten involvierten keine Unmöglichkeit, und sein Genie gebe ihm Mittel an die Hand, sie glücklich zu übersteigen.
Ich will mich gleich an Popen selbst halten. Sein Gedicht sollte kein unfruchtbarer Zusammenhang von Wahrheiten sein. Er nennt es selbst ein moralisches Gedicht, in welchem er die Wege Gottes in Ansehung der Menschen rechtfertigen wolle. Er suchte mehr einen lebhaften Eindruck, als eine tiefsinnige Überzeugung – – Was mußte er wohl also in dieser Absicht tun? Er mußte, ohne Zweifel, alle dahin einschlagende Wahrheiten in ihrem schönsten und stärksten Lichte seinen Lesern darstellen.
Nun überlege man, daß in einem System nicht alle Teile von gleicher Deutlichkeit sein können. Einige Wahrheiten desselben ergeben sich so gleich aus dem Grundsatze; andere sind mit gehäuften Schlüssen daraus herzuleiten. Doch diese letzten können in einem andern System die deutlichsten sein, in welchem jene erstern vielleicht die dunkelsten sind.
Der Philosoph macht sich aus dieser kleinen Unbequemlichkeit der Systeme nichts. Die Wahrheit, die er durch einen Schluß erlanget, ist ihm darum nicht mehr Wahrheit, als die, zu welcher er nicht anders als durch zwanzig Schlüsse gelangen kann;
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