Werke
unter der Eigenschaft der Ausdehnung vorstelle, (Sittenlehre, T. II. §. 126) was für eine Harmonie hat ihm dabei einfallen können? Die größte, wird man sagen, welche nur sein kann; nämlich die, welche das Ding mit sich selbst hat. Aber, heißt das nicht mit Worten spielen? Die Harmonie, welche das Ding mit sich selbst hat! Leibniz will durch seine Harmonie das Rätsel der Vereinigung zweier so verschiedener Wesen, als Leib und Seele sind, auflösen. Spinoza hingegen sieht hier nichts Verschiedenes, sieht also keine Vereinigung, sieht kein Rätsel, das aufzulösen wäre.
Die Seele, sagt Spinoza an einem andern Orte (T. II. §. 163), ist mit dem Leibe auf eben die Art vereiniget, als der Begriff der Seele von sich selbst mit der Seele vereiniget ist. Nun gehöret der Begriff, den die Seele von sich selbst hat, mit zu dem Wesen der Seele, und keines läßt sich ohne das andere gedenken. Also auch der Leib läßt sich nicht ohne die Seele gedenken, und nur dadurch, daß sich keines ohne das andere gedenken läßt, dadurch, daß beide eben dasselbe einzelne Ding sind, sind sie nach Spinozas Meinung mit einander vereiniget.
Es ist wahr, Spinoza lehrt: »die Ordnung und die Verknüpfung der Begriffe sei mit der Ordnung und Verknüpfung der Dinge einerlei.« Und was er in diesen Worten bloß von dem einzigen selbstständigen Wesen behauptet, bejahet er anderwärts und noch ausdrücklicher insbesondere von der Seele (T. V. §. 581): »So wie die Gedanken und Begriffe der Dinge in der Seele geordnet und unter einander verknüpft sind: eben so sind auch aufs genaueste die Beschaffenheiten des Leibes oder die Bilder der Dinge, in dem Leibe geordnet und unter einander verknüpft.« Es ist wahr, so drückt sich Spinoza aus, und vollkommen so kann sich auch Leibniz ausdrücken. Aber wenn beide sodann einerlei Worte brauchen, werden sie auch einerlei Begriffe damit verbinden? Unmöglich! Spinoza denkt dabei weiter nichts, als daß alles, was aus der Natur Gottes, und der zu Folge, aus der Natur eines einzelnen Dinges, formaliter folge, in selbiger auch objective, nach eben der Ordnung und Verbindung, erfolgen müsse. Nach ihm stimmet die Folge und Verbindung der Begriffe in der Seele, bloß deswegen mit der Folge und Verbindung der Veränderungen des Körpers überein, weil der Körper der Gegenstand der Seele ist; weil die Seele nichts als der sich denkende Körper, und der Körper nichts als die sich ausdehnende Seele ist. Aber Leibniz – Wollen Sie mir ein Gleichnis erlauben? Zwei Wilde, welche das erstemal ihr Bildnis in einem Spiegel erblicken. Die Verwunderung ist vorbei, und nunmehr fangen sie an, über diese Erscheinung zu philosophieren. Das Bild in dem Spiegel, sagen beide, macht eben dieselben Bewegungen, welche ein Körper macht, und macht sie in der nämlichen Ordnung. Folglich, schließen beide, muß die Folge der Bewegungen des Bildes, und die Folge der Bewegungen des Körpers sich aus einem und eben demselben Grunde erklären lassen.
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Gotthold Ephraim Lessing
Eine Parabel
Nebst einer kleinen Bitte, und einem eventualen Absagungsschreiben an den Herrn Pastor Goeze, in Hamburg
– quae facilem ori paret bolum.
Etymologista vetus
Braunschweig 1778 (anonym).
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Ehrwürdiger Mann
Ich würde ehrwürdiger Freund sagen, wenn ich der Mensch wäre, der durch öffentliche Berufung auf seine Freundschaften ein günstiges Vorurteil für sich zu erschleichen gedächte. Ich bin aber vielmehr der, der durchaus auf keinen seiner Nächsten dadurch ein nachteiliges Licht möchte fallen lassen, daß er der Welt erzählet, er stehe, oder habe mit ihm in einer von den genauern Verbindungen gestanden, welche die Welt Freundschaft zu nennen gewohnt ist. –
Denn berechtiget wäre ich es allerdings, einen Mann Freund zu nennen, der mir mit Verbindlichkeit zuvor gekommen ist; den ich auf einer Seite habe kennen lernen, von welcher ihn viele nicht kennen wollen; dem ich noch Verbindlichkeit habe, wenn es auch nur die wäre, daß seine Wächterstimme noch meines Namens schonen wollen.
Doch, wie gesagt, ich suche, bloß durch meine Freunde, eben so wenig zu gewinnen, als ich möchte, daß sie durch mich verlieren sollten.
Also nur, Ehrwürdiger Mann! Ich ersuche Sie, die Güte zu haben, nachstehende Kleinigkeit in einige Überlegung zu ziehen. Besonders aber dringe ich darauf, sich über die beigefügte Bitte nicht bloß als Polemiker, sondern als rechtschaffner Mann und Christ, auf das baldigste zu
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