Werke
oft so glücklich mit Leibniz übereinzustimmen scheinet, daß ich mich wundre, warum man nicht längst beider Weltweisheit mit einander verglichen. Ich wundre mich sogar, warum nicht selbst die Akademie lieber das System des Shaftesbury, als das System des Pope zu untersuchen und gegen das Leibnizische zu halten, aufgegeben. Sie würde alsdenn doch wenigstens Weltweisen gegen Weltweisen, und Gründlichkeit gegen Gründlichkeit gestellt haben, anstatt daß sie den Dichter mit dem Philosophen, und das Sinnliche mit dem Abstrakten in ein ungleiches Gefechte verwickelt hat. Ja auch für die, würde bei dem Shaftesbury mehr zu gewinnen gewesen sein, als bei dem Pope, welche Leibnizen gern, vermittelst irgend einer Parallel mit einem andern berühmten Manne, erniedrigen möchten. Das Werk des Shaftesbury »The Moralists, a Philosophical Rhapsody« war bereits im Jahr 1709 herausgekommen; des Leibniz »Theodizee« hingegen trat erst gegen das Ende des Jahrs 1710 an das Licht. Aus diesem Umstande, sollte ich meinen, wäre etwas zu machen gewesen. Ein Philosoph, ein englischer Philosoph, welcher Dinge gedacht hat, die Leibniz erst ein ganzes Jahr nachher gedacht zu haben zeiget, sollte dieser von dem letztern nicht ein wenig sein geplündert worden? Ich bitte die Akademie es überlegen zu lassen!
Und also hat Pope auch aus dem Shaftesbury die wenigsten seiner metaphysischen Larven (4) entlehnt. Wo mag er sie wohl sonst her haben? Wo mag er besonders die her haben, die eine Leibnizische Miene machen? Ich verstehe diejenigen Sätze, die mit den Worten mögliche Systeme und dergleichen ausgedrückt sind. Die Anweisung Warburtons verläßt mich hier; ich glaube aber gleichwohl etwas entdeckt zu haben.
Man erinnere sich desjenigen Buches de Origine mali, über welches Leibniz Anmerkungen gemacht hat, die man gleich hinter seiner Theodizee findet. Er urteilet davon, der Verfasser desselben stimme, in der einen Hälfte der Materie, von dem Übel überhaupt, und dem physikalischen Übel insbesondre, sehr wohl mit ihm überein, und gehe nur in der andern Hälfte, vom moralischen Übel, von ihm ab. Es war dieser Verfasser der Hr. W. King, nachheriger Erzbischof von Dublin. Er war ein Engländer, und sein Werk war schon im Jahr 1702 herausgekommen.
Aus diesem nun behaupte ich, hat sich unser Dichter ungemein bereichert; und zwar so, daß er nicht selten, ganze Stellen aus dem Lateinischen übersetzt, und sie bloß mit poetischen Blümchen durchwirkt hat. Ich will bloß die vornehmsten derselben zum Beweise hersetzen, und die Vergleichung den Lesern, welche beider Sprachen mächtig sind, selbst überlassen.
1.
King. cap. III. p. m. Ed. Brem. 56
Credendum vero est, praesens mundi Systema optimum fuisse, quod fieri potuit, habito respectu ad Dei mentem in eo fabricando.
Pope. Ep. I. v. 43. 44
Of systems possible, if ’tis confest,
That Wisdom infinite must form the best.
2.
King . p. m. 58
Oportet igitur multos perfectionum gradus, forte infinitos, dari in opificiis divinis.
Pope. Ep. I. v. 46-47
Where all must fall or not coherent be
And all that rises, rise in due degree etc.
3.
King . p. m. 72
Opus erat in systemate mundi globo materiae solidae, qualis est terra, et eam quasi rotae vicem habere credimus in magno hoc automato.
Pope. Ep. 1. v. 56 etc.
So man, who here seems principal alone,
Perhaps acts second to some sphere unknown,
Touches some wheel, or verges to some gole.
’Tis but a part we see and not the whole.
4.
King . p. m. 89
– Quaedam ejusmodi facienda erant, cum locus his in opificio Dei restabat, factis tot aliis, quot conveniebat. At optes alium tibi locum et sortem cessisse; fortasse. Sed si tu alterius locum occupasses, ille alter aut alius aliquis in tui locum sufficiendus erat, qui similiter providentiae divinae ingratus, locum illum quem jam occupasti, optaret. Scias igitur necessarium fuisse, ut aut sis, quod es, aut nullus. Occupatis enim ab aliis omni alio loco et statu, quem systema aut natura rerum ferebat, aut is, quem habeas, a te implendus, aut exulare te a rerum natura necesse est. An expectes enim, dejecto alio a statu suo, te ejus loco suffectum iri? id est, ut aliorum injuria munificentiam peculiarem et exsortem tibi Deus exhiberet. Suspicienda ergo est divina bonitas, non culpanda, qua ut sis, quod es, factum est. Nec alius nec melior fieri potuisti sine aliorum aut totius damno.
Den ganzen Inhalt dieser Worte wird man in dem ersten Briefe des Pope wieder finden; besonders
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