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Werke

Werke

Titel: Werke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: E.T.A. Hoffmann
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könnte das nützen, da du, wenn ich dir auch die Wahrheit sage, doch kein Jota von allem verstehst, sondern dumm bleibst, wie vorher. Aus purer Bequemlichkeit und, um mich nicht mit neuer Erfindung in Unkosten zu setzen, will ich daher von den Zeichen der Tafel so viel sagen, als mir gerade gut dünkt.«
    Peregrinus wußte nun, daß er zwar nicht alles erfahren, jedoch wenigstens nicht belogen werden würde.
    Leuwenhoek brachte die Tafel auf das einer Staffelei ähnliche Gestell, welches er aus einem Winkel in die Mitte des Zimmers hervorgerückt hatte. Beide, Leuwenhoek und Peregrinus, setzten sich vor die Tafel hin und betrachteten sie stillschweigend.
    »Ihr ahnet,« begann endlich Leuwenhoek mit einiger Feierlichkeit, »Ihr ahnet vielleicht nicht, Peregrinus Tyß, daß jene Züge, jene Zeichen auf der Tafel, die Ihr so aufmerksam betrachtet, Euer eignes Horoskop sind, das ich mit geheimnisvoller astrologischer Kunst unter günstigem Einfluß der Gestirne entworfen. – ›Wie kommt Ihr zu solcher Anmaßung, wie mögt Ihr eindringen in die Verschlingungen meines Lebens, wie mein Geschick enthüllen wollen?‹ So könntet Ihr mich fragen, Peregrinus, und hättet vollkommenes Recht dazu, wenn ich Euch nicht sogleich meinen innern Beruf dazu nachzuweisen imstande wäre. Ich weiß nicht, ob Ihr vielleicht den berühmten Rabbi Isaac Ben Harravad gekannt oder wenigstens von ihm gehört habt (*1) . Unter andern tiefen Kenntnissen besaß Rabbi Harravad die seltene Gabe, den Menschen es am Gesicht anzusehen, ob ihre Seele schon früher einen andern Körper bewohnt, oder ob solche für gänzlich frisch und neu zu achten. Ich war noch sehr jung, als der alte Rabbi starb an einer Unverdaulichkeit, die er sich durch ein schmackhaftes Knoblauchgericht zugezogen. Die Juden liefen mit der Leiche so schnell von dannen, daß der Selige nicht Zeit hatte, alle seine Kenntnisse und Gaben, die die Krankheit auseinandergestreut, zusammenzuraffen und mitzunehmen. Lachende Erben teilten sich darin; ich aber hatte jene wunderbare Sehergabe in dem Augenblick weggefischt, als sie auf der Spitze des Schwerts schwebte, das der Todesengel auf die Brust des alten Rabbi setzte. So ist aber jene wunderbare Gabe auf mich übergegangen, und auch ich erschaue, wie Rabbi Isaac Ben Harravad, aus dem Gesicht des Menschen, ob seine Seele schon einen andern Körper bewohnt hat oder nicht. Euer Antlitz, Peregrinus Tyß, erregte mir, als ich es zum ersten Male sah, die seltsamsten Bedenken und Zweifel. Gewiß wurde mir die lange Vorexistenz Eurer Seele, und doch blieb jede Euerm jetzigen Leben vorausgegangene Gestaltung völlig dunkel. Ich mußte meine Zuflucht zu den Gestirnen nehmen und Euer Horoskop stellen, um das Geheimnis zu lösen.«
    »Und,« unterbrach Peregrinus den Flohbändiger, »und habt Ihr etwas herausgebracht, Herr Leuwenhoek?«
    »Allerdings,« erwiderte Leuwenhoek, indem er noch einen feierlichern Ton annahm, »allerdings! Ich habe erkannt, daß das psychische Prinzip, welches jetzt den angenehmen Körper meines werten Freundes, des Herrn Peregrinus Tyß, belebt, schon lange vorher existierte, wiewohl nur als Gedanke ohne Bewußtsein der Gestaltung. Schaut hin, Herr Peregrinus, betrachtet aufmerksam den roten Punkt in der Mitte der Tafel. Das seid Ihr nicht allein selbst, sondern der Punkt ist auch die Gestalt, deren sich Euer psychisches Prinzip einst nicht bewußt werden konnte. Als strahlender Karfunkel lagt Ihr damals im tiefen Schacht der Erde, aber über Euch, hingestreckt auf die grüne Fläche des Bodens, schlummerte die holde Gamaheh, und nur in jener Bewußtlosigkeit zerrann auch ihre Gestaltung. Seltsame Linien, fremde Konstellationen durchschneiden nun Euer Leben von dem Zeitpunkt an, als der Gedanke sich gestaltete und zum Herrn Peregrinus Tyß wurde. Ihr seid im Besitz eines Talismans, ohne es zu wissen. Dieser Talisman ist eben der rote Karfunkel; es kann sein, daß der König Sekakis ihn als Edelstein in der Krone trug, oder daß er gewissermaßen selbst der Karfunkel war; genug – Ihr besitzt ihn jetzt; aber ein gewisses Ereignis muß hinzutreten, wenn seine schlummernde Kraft erweckt werden soll, und mit diesem Erwachen der Kraft Eures Talismans entscheidet sich das Schicksal einer Unglücklichen, die bis jetzt zwischen Furcht und schwankender Hoffnung ein mühseliges Scheinleben geführt hat. – Ach! nur ein Scheinleben konnte die süße Gamaheh durch die tiefste magische Kunst gewinnen, da der wirkende Talisman uns

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