Werke
geraubt war! Ihr allein habt sie getötet, Ihr allein könnet ihr Leben einhauchen, wenn der Karfunkel aufgeglüht ist in Eurer Brust!« –
»Und,« unterbrach Peregrinus den Flohbändiger aufs neue, »und jenes Ereignis, wodurch die Kraft des Talismans geweckt werden soll, wißt Ihr mir das zu deuten, Herr Leuwenhoek?«
Der Flohbändiger glotzte den Peregrinus an mit weit aufgerissenen Augen und sah gerade so aus wie einer, den plötzlich große Verlegenheit überrascht, und der nicht weiß, was er sagen soll. Die Gedanken lauteten: »Wetter, wie ist es gekommen, daß ich viel mehr gesagt habe, als ich eigentlich sagen wollte? Hätte ich wenigstens nicht von dem Talisman das Maul halten sollen, den der glückselige Schlingel im Leibe trägt, und der ihm so viel Macht geben kann über uns, daß wir alle nach seiner Pfeife tanzen müssen? – Und nun soll ich ihm das Ereignis sagen, von dem das Erwachen der Kraft seines Talismans abhängt! – Darf ich ihm denn gestehen, daß ich es selbst nicht weiß, daß alle meine Kunst daran scheitert, den Knoten zu lösen, in den sich alle Linien verschlingen, ja, daß, wenn ich dieses siderische Hauptzeichen des Horoskops betrachte, es mir ganz jämmerlich zumute wird und mein ehrwürdiges Haupt mir selbst vorkommt wie ein bunt bemalter Haubenstock, aus schnöder Pappe gefertigt? – Fern sei von mir solch ein Geständnis, das mich ja herabwürdigen und ihm Waffen gegen mich in die Hände geben würde. Ich will dem Pinsel, der sich so klug dünkt, etwas aufheften, das ihm durch alle Glieder fahren und ihm alle Lust benehmen soll, weiter in mich zu dringen.« –
»Allerliebster,« sprach nun der Flohbändiger, indem er ein sehr bedenkliches Gesicht zog, »allerliebster Herr Tyß, verlangt nicht, daß ich von diesem Ereignis sprechen soll. Ihr wißt, daß das Horoskop uns zwar über das Eintreten gewisser Umstände klar und vollständig belehrt, daß aber, so will es die Weisheit der ewigen Macht, der Ausgang bedrohlicher Gefahr stets dunkel bleibt und hierüber nur zweifelhafte Deutungen möglich und zulässig sind. Viel zu lieb hab’ ich Euch als einen guten vortrefflichen Herzensmann, bester Herr Tyß, um Euch vor der Zeit in Unruhe und Angst zu setzen; sonst würde ich Euch wenigstens so viel sagen, daß das Ereignis, welches Euch das Bewußtsein Eurer Macht geben dürfte, auch in demselben Augenblick die jetzige Gestaltung Eures Seins unter den entsetzlichsten Qualen der Hölle zerstören könnte. – Doch nein! – Auch das will ich Euch verschweigen, und nun kein Wort weiter von dem Horoskop. – Ängstigt Euch nur ja nicht, bester Herr Tyß, unerachtet die Sache sehr schlimm steht und ich, nach aller meiner Wissenschaft, kaum einen guten Ausgang des Abenteuers herausdeuten kann. Vielleicht rettet Euch doch eine ganz unvermutete Konstellation, die noch jetzt außer dem Bereich der Beobachtung liegt, aus der bösen Gefahr.« –
Peregrinus erstaunte über Leuwenhoeks tückische Falschheit, indessen kam ihm die ganze Lage der Sache, die Stellung, in der Leuwenhoek, ohne es zu wissen, zu ahnen, ihm gegenüberstand, so ungemein ergötzlich vor, daß er sich nicht enthalten konnte, in ein schallendes Gelächter auszubrechen.
»Worüber,« fragte der Flohbändiger etwas betreten, »worüber lacht Ihr so sehr, mein wertester Herr Tyß?«
»Ihr tut,« erwiderte Peregrinus, noch immer lachend, »Ihr tut sehr klug, Herr Leuwenhoek, daß Ihr mir das bedrohliche Ereignis aus purer Schonung verschweigt. Denn außerdem, daß Ihr viel zu sehr mein Freund seid, um mich in Angst und Schrecken zu setzen, so habt Ihr noch einen andern triftigen Grund dazu, der in nichts anderm besteht, als daß Ihr selbst nicht das mindeste von jenem Ereignisse wißt. Vergebens blieb ja all Euer Mühen, jenen verschlungenen Knoten zu lösen; mit Eurer ganzen Astrologie ist es ja nicht weit her; und wäre Euch Meister Floh nicht ohnmächtig auf die Nase gefallen, so stünde es mit all Euren Künsten herzlich schlecht.«
Wut entflammte Leuwenhoeks Antlitz, er ballte die Fäuste, er knirschte mit den Zähnen, er zitterte und schwankte so sehr, daß er vom Stuhle gefallen, hätte ihn nicht Peregrinus beim Arm so fest gepackt, als George Pepusch den unglücklichen Weinwirt bei der Kehle. Diesem Wirt gelang es, sich durch einen geschickten Seitensprung zu retten. Alsbald flog Pepusch zur Türe hinaus und trat in Leuwenhoeks Zimmer, gerade in dem Augenblick, als Peregrinus ihn auf dem Stuhle festhielt und
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