Werke
noch diesen Abschiedskuß und laß mich sterben.«
Peregrinus bückte sich hinab; als aber sein Mund den Mund der Kleinen berührte, biß sie ihn so heftig in die Lippen, daß das Blut hervorsprang. »Unart,« rief sie dabei ganz lustig, »so muß man dich züchtigen! – Komm zu Verstande, sei artig und nimm mich, mag auch der andere schreien, wie er will.« – Die beiden Mikroskopisten waren indessen wieder, der Himmel weiß, worüber, in heftigen Zank geraten. George Pepusch warf sich aber ganz trostlos der schönen Dörtje zu Füßen und rief mit einer Stimme, die jämmerlich genug klang, um aus der heiseren Kehle des unglücklichsten Liebhabers zu kommen: »Gamaheh! so ist denn die Flamme in deinem Innern ganz erloschen, so gedenkst du nicht mehr der herrlichen Vorzeit in Famagusta, nicht mehr der schönen Tage in Berlin, nicht mehr –«
»Du bist,« fiel die Kleine dem Unglücklichen lachend ins Wort, »du bist ein Hasenfuß, George, mit deiner Gamaheh, mit deiner Distel Zeherit und all dem andern tollen Zeuge, das dir einmal geträumt hat. Ich war dir gut, mein Freund, und bin es noch und nehme dich, unerachtet mir der Große dort besser gefällt, wenn du mir heilig versprichst, ja feierlich schwörst, daß du alle deine Kräfte anwenden willst« –
Die Kleine lispelte dem Pepusch etwas ganz leise ins Ohr; Peregrinus glaubte aber zu vernehmen, daß von Meister Floh die Rede.
Immer heftiger war indessen der Zank zwischen den beiden Mikroskopisten geworden, sie hatten aufs neue zu den Waffen gegriffen, und Peregrinus mühte sich eben, die erhitzten Gemüter zu besänftigen, als die Gesellschaft sich wiederum vermehrte.
Unter widerwärtigem Kreischen und häßlichem Geschrei wurde die Türe aufgestoßen, und hinein stürzten der schöne Geist, Monsieur Legénie, und der Bartscherer Egel. Mit wilder entsetzlicher Gebärde sprangen sie los auf die Kleine, und der Bartscherer hatte sie schon bei der Schulter gepackt, als Pepusch den häßlichen Feind mit unwiderstehlicher Gewalt wegdrängte, ihn gleichsam mit dem ganzen biegsamen Körper umwand und dermaßen zusammendrückte, daß er ganz lang und spitz in die Höhe schoß, indem er vor Schmerz laut brüllte.
Während dies dem Bartscherer geschah, hatten die beiden Mikroskopisten bei der Erscheinung der Feinde sich augenblicklich miteinander versöhnt und den schönen Geist gemeinschaftlich bekämpft mit vielem Glück. Nichts half es nämlich dem schönen Geist, daß er sich, als er unten gehörig abgebläut worden, zur Stubendecke erhob. Denn beide, Leuwenhoek und Swammerdamm, hatten kurze dicke Knittel ergriffen und trieben den schönen Geist, sowie er herabschweben wollte, durch demjenigen Teil des Körpers, der es am besten vertragen kann, geschickt applizierte Schläge immer wieder in die Höhe. Es war ein zierliches Ballonspiel, bei dem freilich der schöne Geist notgedrungen die ermüdendste und zugleich die undankbarste Rolle übernommen, nämlich die des Ballons.
Der Krieg mit den dämonischen Fremden schien der Kleinen großes Entsetzen einzujagen; sie schmiegte sich fest an Peregrinus und flehte ihn an, sie fortzuschaffen aus diesem bedrohlichen Getümmel. Peregrinus konnte das um so weniger ablehnen, als er überzeugt sein mußte, daß es auf dem Kampfplatz seiner Hilfe nicht bedurfte; er brachte daher die Kleine in ihre Wohnung, das heißt, in die Zimmer seines Mietsmanns.
Es genügt, zu sagen, daß die Kleine, als sie sich mit Herrn Peregrinus allein befand, aufs neue alle Künste der feinsten Koketterie anwandte, um ihn in ihr Netz zu verlocken. Mocht’ er es auch noch so fest im Sinn behalten, daß das alles Falschheit sei und nur dahin ziele, seinen Schützling in Sklaverei zu bringen, so ergriff ihn doch eine solche Verwirrung, daß er sogar nicht an das mikroskopische Glas dachte, welches ihm zum wirksamen Gegengift gedient haben würde.
Meister Floh geriet aufs neue in Gefahr, er wurde jedoch auch diesmal durch Herrn Swammer gerettet, der mit George Pepusch eintrat.
Herr Swammer schien ausnehmend vergnügt, Pepusch hatte dagegen Wut und Eifersucht im glühenden Blick. Peregrinus verließ das Zimmer.
Den tiefsten bittersten Unmut im wunden Herzen, durchstrich er düster und in sich gekehrt die Straßen von Frankfurt; er ging zum Tore hinaus und weiter, bis er endlich zu dem anmutigen Plätzchen kam, wo das seltsame Abenteuer mit seinem Freunde Pepusch sich zugetragen.
Er bedachte aufs neue sein wunderbares Verhängnis, anmutiger,
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