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Werke

Werke

Titel: Werke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: E.T.A. Hoffmann
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neben dem Ohr des Herrn Peregrinus Tyß eingenommen, »in der Tat, ich weiß nicht, ob ich, so sehr es mir verderblich scheint, Euch doch nicht gerade raten sollte, sogleich zu Swammerdamm hinunterzugehen. Es ist mir, als wenn die Linien Eures Horoskops jetzt immer schneller und schneller zusammenliefen und Ihr selbst im Begriff ständet, in den roten Punkt zu treten. – Mag nun das dunkle Verhängnis beschlossen haben, was es will, ich sehe ein, daß selbst ein Meister Floh solchem Beschluß nicht zu entgehen vermag, und daß es ebenso albern als unnütz sein würde, von Euch meine Rettung zu verlangen. – Geht hin, seht sie, nehmt ihre Hand, überliefert mich der Sklaverei, und damit alles geschehe, wie es die Sterne wollen, ohne daß Fremdes sich einmische, so macht auch keinen Gebrauch von dem mikroskopischen Glase.« –
    »Scheint,« sprach Peregrinus, »scheint doch sonst, Meister Floh, Euer Herz stark, Euer Geist fest, und doch seid Ihr jetzt so kleinmütig, so verzagt! Aber möget Ihr sonst auch so weise sein, wie Ihr wollt, ja, mag Clemens des Siebenten hochberühmter Nuntius Rorar Euern Verstand weit über den unsrigen setzen, so habt Ihr doch keinen sonderlichen Begriff von dem festen Willen des Menschen und schlagt ihn wenigstens viel zu geringe an. Noch einmal! – ich breche nicht mein Euch gegebenes Wort, und damit Ihr sehet, wie es mein fester Entschluß ist, die Kleine nicht wiederzusehen, werde ich jetzt aufstehen und mich, wie ich es mir schon gestern vorgenommen, zum Buchbinder Lämmerhirt begeben.«
    »O Peregrinus,« rief Meister Floh, »des Menschen Wille ist ein gebrechliches Ding, oft knickt ihn ein daherziehendes Lüftchen. Welch eine Kluft liegt zwischen dem, was man will, und dem, das geschieht! – Manches Leben ist nur ein stetes Wollen, und mancher weiß vor lauter Wollen am Ende selbst nicht, was er will. – Ihr wollt Dörtje Elverdink nicht wiedersehen, und wer steht Euch dafür, daß es geschieht in dem nächsten Augenblick, da Ihr diesen Entschluß ausgesprochen?«
    Seltsam genug war es wohl, daß wirklich sich begab, was Meister Floh mit prophetischem Geiste vorausgesagt.
    Peregrinus stand nämlich auf, kleidete sich an und wollte, seinem Vorsatz getreu, zum Buchbinder Lämmerhirt gehen; als er indessen bei Swammerdamms Zimmer vorbeikam, wurde die Türe weit geöffnet, und Peregrinus wußte selbst gar nicht, wie es geschah, daß er plötzlich an Swammerdamms Arm mitten im Zimmer dicht vor Dörtje Elverdink stand, die ganz fröhlich und unbefangen ihm hundert Küsse zuwarf und mit ihrem silbernen Glockenstimmlein freudig rief: »Guten Morgen, mein herzlieber Peregrinus!«
    Wer sich aber noch in dem Zimmer befand, das war Herr George Pepusch, der zum offnen Fenster hinausguckte und ein Liedchen pfiff. Jetzt warf er das Fenster heftig zu und drehte sich um. »Ach, sieh da,« rief er, als gewahre er jetzt erst den Freund Peregrinus, »ach, sieh da! – Du besuchst deine Braut, das ist in der Ordnung und jeder Dritte dabei nur lästig. Ich werde mich darum auch gleich fortpacken; doch zuvor laß es dir sagen, mein guter Freund Peregrinus, daß George Pepusch jede Gabe verschmäht, die der barmherzige Freund ihm gleich dem armen Sünder hinwirft wie ein Almosen! – Verwünscht sei deine Aufopferung, ich will dir nichts zu verdanken haben. Nimm sie hin, die schöne Gamaheh, die dich so innig liebt, aber hüte dich, daß die Distel Zeherit nicht Wurzel faßt und die Mauern deines Hauses zersprengt.«
    Georges Ton und ganzes Betragen grenzte an renommistische Brutalität, und Peregrinus wurde von dem tiefsten Unmut erfüllt, als er gewahrte, wie sehr ihn Pepusch in seinem ganzen Beginnen mißverstanden. »Nie,« sprach er, ohne jenen Unmut zu bergen, »nie ist es mir in den Sinn gekommen, dir in den Weg zu treten; der Wahnsinn eifersüchtiger Verliebtheit spricht aus dir, sonst würdest du bedenken, wie schuldlos ich an allem bin, was du in deiner eignen Seele ausgebrütet. Verlange nicht, daß ich die Schlange töten soll, die du zu deiner Selbstqual nährst in deiner Brust! Und daß du es nur weißt, dir warf ich keine Gabe hin, dir brachte ich kein Opfer, als ich der Schönsten, vielleicht dem höchsten Glück meines Lebens entsagte. Andere, höhere Pflichten, ein unwiderrufliches Wort zwangen mich dazu!« –
    Pepusch ballte in wildem Zorn die Faust und erhob sie gegen den Freund. Da sprang aber die Kleine zwischen die Freunde und faßte die Hand des Peregrinus, indem sie lachend

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