Werke
wiederholte, indem sie, vor Peregrinus’ starrem Blick errötend, sittsam die Augen niederschlug, die Frage, was dem Herrn beliebe. Mühsam stotterte Peregrinus heraus, ob der Buchbinder Lämmerhirt hier wohne. Als nun das Mädchen erwiderte, daß Lämmerhirt allerdings hier wohne, daß er aber in Geschäften ausgegangen, da sprach Peregrinus wirr durcheinander von Einbänden, die er bestellt, von Büchern, die Lämmerhirt ihm verschaffen sollen; zuletzt kam er etwas ins Geleise und gedachte der Prachtausgabe des Ariost, die Lämmerhirt in roten Maroquin binden sollen mit reicher goldner Verzierung. Da war es aber, als durchführe die holde Jungfrau ein elektrischer Funke; sie schlug die Hände zusammen und rief, Tränen in den Augen: »Ach Gott! – Sie sind Herr Tyß!« – Sie machte eine Bewegung, als wolle sie Peregrinus’ Hand ergreifen, trat aber schnell zurück, und ein tiefer Seufzer schien die volle Brust zu entlasten. Dann überstrahlte ein anmutiges Lächeln der Jungfrau Antlitz wie liebliches Morgenrot, und sie ergoß sich nun in Dank und Segenswünsche dafür, daß Peregrinus des Vaters, der Mutter Wohltäter sei, daß nicht dies allein – nein! – seine Milde, seine Freundlichkeit, die Art, wie er noch zu vorigen Weihnachten die Kinder beschenkt und Freude und Fröhlichkeit verbreitet, ihnen den Frieden, die Heiterkeit des Himmels gebracht. Sie räumte schnell des Vaters Lehnstuhl ab, der mit Büchern, Skripturen, Heften, ungebundenen Drucken bepackt war, rückte ihn heran und lud mit anmutiger Gastlichkeit den Peregrinus ein, sich niederzulassen. Dann holte sie den sauber gebundenen Ariost hervor, fuhr mit einem leinenen Tuch leise über die Maroquinbände und überreichte das Meisterwerk der Buchbinderkunst dem Peregrinus mit leuchtenden Blicken, wohl wissend, daß Peregrinus der schönen Arbeit des Vaters seinen Beifall nicht versagen werde. –
Peregrinus nahm einige Goldstücke aus der Tasche; die Holde, dies gewahrend, versicherte schnell, daß sie den Preis der Arbeit nicht wisse und daher keine Bezahlung annehmen könne, Herr Peregrinus möge es sich aber gefallen lassen, einige Augenblicke zu verweilen, da der Vater gleich zurückkommen müsse. Dem Peregrinus war es, als schmölze das nichtswürdige Metall in seiner Hand in einen Klumpen zusammen, er steckte die Goldstücke schneller wieder ein, als er sie hervorgeholt. Das Mädchen griff jetzt, als Peregrinus sich mechanisch in Lämmerhirts breiten Lehnsessel niedergelassen, nach ihrem Stuhl; aus instinktmäßiger Höflichkeit sprang Herr Peregrinus auf und wollte den Stuhl heranrücken, da geschah es aber, daß er statt der Stuhllehne des Mädchens Hand erfaßte, und er glaubte, als er das Kleinod leise zu drücken wagte, einen kaum merkbaren Gegendruck zu fühlen. –
»Kätzchen, Kätzchen, was machst du!« Mit diesen Worten wandte sich das Mädchen und hob ein Zwirnknäuel von dem Fußboden auf, das die Katze zwischen den Vorderpfoten hielt, ein mystisches Gewebe beginnend. Dann faßte sie mit kindlicher Unbefangenheit den Arm des in Himmelsentzücken versunkenen Peregrinus, führte ihn zum Lehnsessel und bat ihn nochmals, sich niederzulassen, indem sie selbst sich ihm gegenübersetzte und irgendeine weibliche Arbeit zur Hand nahm.
Peregrinus schwankte im Sturm auf einem wogenden Meer. »O Prinzessin!« Das Wort entschlüpfte ihm, selbst wußte er nicht, wie es geschah. Das Mädchen schaute ihn ganz erschrocken an; da war es ihm, als habe er gegen die Holde gefrevelt, und er rief mit dem weichsten, wehmütigsten Ton: »Meine liebste, teuerste Mademoiselle!«
Das Mädchen errötete und sprach mit holder jungfräulicher Verschämtheit: »Die Eltern nennen mich Röschen, nennen Sie mich auch so, lieber Herr Tyß, denn ich gehöre ja auch zu den Kindern, denen Sie so viel Gutes erzeigt, und von denen Sie so hoch verehrt werden.«
»Röschen!« rief Peregrinus ganz außer sich; er hätte der holden Jungfrau zu Füßen stürzen mögen, kaum hielt er sich zurück.
Röschen erzählte nun, indem sie ruhig fortarbeitete, wie seit der Zeit, als die Eltern durch den Krieg in die bitterste Dürftigkeit geraten, sie von einer Base in einem benachbarten kleinen Städtchen aufgenommen, wie diese Base vor wenigen Wochen gestorben, und wie sie dann zu den Eltern zurückgekehrt.
Peregrinus hörte nur Röschens süße Stimme, ohne viel von den Worten zu verstehen, und er überzeugte sich erst, daß er nicht selig träume, als Lämmerhirt ins
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