Werke
Zimmer trat und ihn mit dem herzlichsten Willkommen begrüßte. Nicht lange dauerte es, so folgte auch die Frau mit den Kindern, und wie denn in des Menschen unergründlichem Gemüt Gedanken, Regungen, Gefühle in seltsamem bunten Gewirr durcheinanderlaufen, so geschah es, daß Peregrinus selbst in der Ekstase, die ihn einen nie geahnten Himmel schauen ließ, plötzlich daran dachte, wie der murrköpfische Pepusch sein Beschenken der Lämmerhirtschen Kinder getadelt. Es war ihm sehr lieb, auf Befragen zu vernehmen, daß keins von den Kindern sich den Magen am Naschwerk verdorben, und die freundlich feierliche Art, ja der gewisse Stolz, womit sie nach dem hohen Glasschrank, der das glänzende Spielzeug enthielt, heraufblickten, zeigte, daß sie die letzte Bescherung für etwas Außerordentliches hielten, das wohl niemals wiederkehren dürfte. –
Die übelgelaunte Distel hatte also ganz unrecht.
»O Pepusch,« sprach Peregrinus zu sich selbst, »dein verstörtes, zerrissenes Gemüt durchdringt kein reiner Lichtstrahl der wahrhaften Liebe!« – Damit meinte Peregrinus nun wieder wohl mehr als ein beschertes Naschwerk und Spielzeug. – Lämmerhirt, ein sanfter, stiller, frommer Mann, sah mit sichtlicher Freude auf Röschen, die geschäftig aus- und eingegangen, Butter und Brot herbeigebracht und nun an einem kleinen Tischchen in der entfernten Ecke des Zimmers dem Geschwister stattliche Butterstollen bereitete. Die muntern Jungen drängten sich dicht an die liebe Schwester, und wenn sie in verzeihlicher kindischer Begier das Maul etwas weiter aufsperrten, als gerade nötig, so tat das der häuslichen Idylle doch keinen sonderlichen Eintrag.
Den Peregrinus entzückte des holden Mädchens Beginnen, ohne daß ihm dabei Werthers Lotte und ihre Butterbrote in den Sinn kamen.
Lämmerhirt näherte sich dem Peregrinus und begann halb leise von Röschen zu reden, was sie für ein frommes gutes, liebes Kind sei, der der Himmel auch die Gabe äußerer Schönheit verliehen, und wie er nur Freude an dem holden Kinde zu erleben hoffe. Was, setzte er hinzu, indem sein Gesicht sich in Wonne verklärte, was ihm aber so recht im innersten Herzen wohl tue, sei, daß Röschen sich auch zur edlen Buchbinderkunst hinneige und seit den wenigen Wochen, während sie sich bei ihm befinde, in feiner zierlicher Arbeit ungemein viel profitiert habe, so daß sie bereits viel geschickter sei als mancher Lümmel von Lehrbursche, der Jahre hindurch Maroquin und Gold vergeude und die Buchstaben schief und krumm stelle, daß sie aussähen wie betrunkene Bauern, die aus der Schenke torkeln.
Ganz zutraulich flüsterte der entzückte Vater dem Peregrinus ins Ohr: »Es muß heraus, Herr Tyß, es drückt mir sonst das Herz ab, ich kann mir nicht helfen. – Wissen Sie wohl, daß mein Röschen den Schnitt des Ariosto vergoldet hat?«
Sowie Peregrinus dies vernahm, griff er hastig nach den saubern Maroquinbänden, als müsse er sich des Heiligtums bemächtigen, ehe ein feindlicher Zufall es ihm raube. Lämmerhirt hielt das für ein Zeichen, daß Peregrinus fort wolle, und bat ihn, es sich noch einige Augenblicke in der Familie gefallen zu lassen. Eben dies erinnerte aber den Peregrinus, daß er doch endlich sich losreißen müsse. Er zahlte schnell die Rechnung, und Lämmerhirt reichte ihm wie gewöhnlich die Hand zum Abschiede, die Frau tat dasselbe und auch Röschen! – Die Jungen standen in der öffnen Türe, und damit der Liebestorheit ihr Recht geschehe, riß Peregrinus im Hinausschreiten dem Jüngsten das Restchen Butterstolle aus der Hand, an dem er eben kaute, und rannte wie gehetzt die Treppe hinab.
»Nun, nun,« sprach der Kleine ganz verdutzt, »was ist denn das? Hätt’ es mir ja sagen können, der Herr Tyß, wenn er hungrig war, hätt’ ihm ja gern meine ganze Stolle gegeben!« –
Schritt vor Schritt ging Herr Peregrinus Tyß nach Hause, die schweren Quartanten mühsam unter dem Arm fortschleppend und mit verklärtem Blick einen Bissen des Butterstollenrestes nach dem andern auf die Lippe nehmend, als genösse er himmlisches Manna.
»Der ist nunmehro auch übergeschnappt!« sagte ein vorübergehender Bürger. Es war dem Mann nicht zu verdenken, daß er dergleichen von Peregrinus dachte. –
Als Herr Peregrinus Tyß ins Haus trat, kam ihm die alte Aline entgegen und winkte mit Gebärden, die Angst und Besorgnis ausdrückten, nach dem Zimmer des Herrn Swammerdamm. Die Türe stand offen, und Peregrinus gewahrte Dörtje Elverdink, die
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