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Werke

Werke

Titel: Werke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: E.T.A. Hoffmann
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sie es gar nicht sagen könne, wie so sehr, wie so über alle Maßen sie ihn liebe, wie sie nur in ihm lebe, wie er allein ihr einziger Gedanke, ihr einziges Glück sei.
    Der finstere arglistige Dämon pflegt in die hellsten Sonnenblicke des Lebens hineinzugreifen mit seinen schwarzen Krallen; ja! durch den finstern Schatten seines unheilbringenden Wesens jenen Sonnenschein zu verdunkeln ganz und gar. So geschah es, daß in Peregrinus böse Zweifel aufstiegen, ja, daß ein gar böser Argwohn sich regte in seiner Brust.
    »Wie?« schien eine Stimme ihm zuzuflüstern, »wie? auch jene Dörtje Elverdink gestand dir ihre Liebe, und doch war es schnöder Eigennutz, von dem beseelt sie dich verlocken wollte, die Treue zu brechen und Verräter zu werden an dem besten Freunde, an dem armen Meister Floh?
    Ich bin reich, man sagt, daß ein gewisses gutmütiges Betragen, eine gewisse Offenheit, von manchem Einfalt genannt, mir die zweideutige Gunst der Menschen und auch wohl gar der Weiber verschaffen könne; und diese, die dir nun ihre Liebe gesteht –«
    Schnell griff er nach dem verhängnisvollen Geschenk des Meister Floh, er brachte das Schächtelchen hervor und war im Begriff, es zu öffnen, um sich das mikroskopische Glas in die Pupille des rechten Auges zu setzen und so Röschens Gedanken zu durchschauen.
    Er blickte auf, und das reine Himmelsazur der schönsten Augen leuchtete in seine Seele hinein. Röschen, seine innere Bewegung wohl bemerkend, sah ihn ganz verwundert und beinahe besorglich an.
    Da war es ihm, als durchzucke ihn ein jäher Blitz, und das vernichtende Gefühl der Verderbtheit seines Sinnes zermalmte sein ganzes Wesen.
    »Wie?« sprach er zu sich selbst, »in das himmelreine Heiligtum dieses Engels willst du eindringen in sündhaftem Frevel? Gedanken willst du erspähen, die nichts gemein haben können mit dem verworfenen Treiben gemeiner, im Irdischen befangener Seelen? Verhöhnen willst du den Geist der Liebe selbst, ihn mit den verruchten Künsten bedrohlicher unheimlicher Mächte versuchend?«
    Er hatte mit Hast das Schächtelchen in seine Tasche verborgen, es war ihm, als habe er eine Sünde begangen, die er nie, nie werde abbüßen können.
    Ganz aufgelöst in Wehmut und Schmerz, stürzte er dem erschrockenen Röschen zu Füßen, rief, er sei ein Frevler, ein sündiger Mensch, der der Liebe eines engelreinen Wesens wie Röschen nicht wert sei, badete sich in Tränen.
    Röschen, die nicht begreifen konnte, welcher finstere Geist über Peregrinus gekommen, sank zu ihm nieder, umfaßte ihn, indem sie weinend lispelte: »Um Gott, mein geliebter Peregrinus, was ist dir? was ist dir geschehen? welcher schlimme Feind stellt sich zwischen uns? o komm, o komm, setze dich ruhig zu mir nieder!«
    Peregrinus ließ sich schweigend, keiner willkürlichen Bewegung fähig, von Röschen sanft in die Höhe ziehen.
    Es war gut, daß das alte, etwas zerbrechliche Kanapee wie gewöhnlich mit broschierten Büchern, fertigen Einbänden und einem nicht geringen Vorrat von allerlei Buchbinderutensilien bepackt war; so daß Röschen manches wegräumen mußte, um Platz für sich und den zerknirschten Herrn Peregrinus Tyß zu gewinnen. Er bekam dadurch Zeit, sich zu erholen, und sein großer Schmerz, seine herzzerreißende Wehmut löste sich auf in das mildere Gefühl verübter, jedoch wohl zu sühnender Unbill.
    War er zuvor, was seine Gesichtszüge betrifft, dem trostlosen Sünder zu vergleichen, über den das Verdammungsurteil unwiderruflich ausgesprochen, so sah er jetzt nur noch ein wenig einfältig aus. Solches Aussehen ist aber bei derlei Umständen jedesmal ein gutes Prognostikon.
    Als nun beide, Röschen und Herr Peregrinus Tyß, zusammen auf besagtem gebrechlichem Kanapee des ehrsamen Buchbindermeisters Lämmerhirt saßen, begann Röschen mit niedergeschlagenen Augen und halb verschämtem Lächeln: »Ich mag wohl erraten, mein Geliebter, was dein Gemüt so plötzlich bestürmt. Gestehen will ich es dir, man hat mir allerlei Wunderliches von den seltsamen Bewohnern deines Hauses erzählt. Die Nachbarinnen, – nun du weißt, wie Nachbarinnen sind, die schwatzen und schwatzen gar gern und wissen oft selbst nicht einmal, was; – ja, diese bösen Nachbarinnen haben mir erzählt, in deinem Hause sei ein gar wunderbares Frauenzimmer, die manche gar für eine Prinzessin hielten, und die du selbst in der Christnacht in dein Haus getragen. Der alte Herr Swammer habe sie freilich als seine entflohene Nichte bei sich

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