Werke
erstarrt auf einem Lehnstuhl saß, und deren zusammengeschrumpftes Gesicht einer Leiche zu gehören schien, die bereits im Grabe gelegen. Ebenso erstarrt, ebenso leichenähnlich saßen vor ihr auf Lehnstühlen Pepusch, Swammerdamm und Leuwenhoek. »Ist das,« sprach die Alte, »ist das eine tolle gespenstische Wirtschaft hier unten! So sitzen die drei unseligen Menschen schon den ganzen lieben Tag über und essen nichts und trinken nichts und reden nichts und holen kaum Atem!« –
Dem Peregrinus wollte zwar ob des in der Tat etwas schauerlichen Anblicks halber einiges Entsetzen anwandeln, indessen wurde, indem er die Treppe hinaufstieg, das gespenstische Bild von dem wogenden Meer der Himmelsträume verschlungen, in dem der entzückte Peregrinus schwamm seit dem Augenblick, als er Röschen gesehen. – Wünsche, Träume, selige Hoffnungen strömen gern über in das befreundete Gemüt; aber gab es für den armen Peregrinus jetzt ein anderes als das ehrliche des guten Meisters Floh? – Dem wollte er nun sein ganzes Herz ausschütten, dem wollte er von Röschen alles erzählen, was sich eigentlich gar nicht so recht erzählen ließ. Doch er mochte so viel rufen, so viel locken, als er wollte, kein Meister Floh ließ sich sehen, er war auf und davon. In der Falte der Halsbinde, wo sonst Meister Floh bei Ausgängen sich beherbergt, fand Peregrinus bei sorgfältigerem Nachsuchen ein kleines Schächtelchen, worauf die Worte standen:
»Hierin befindet sich das mikroskopische Gedankenglas. Seht Ihr mit dem linken Auge scharf in die Schachtel hinein, so sitzt Euch das Glas augenblicklich in der Pupille; wollt Ihr es wieder heraushaben, so dürft Ihr nur, das Auge in die Schachtel hineinhaltend, die Pupille sanft drücken, und das Glas fällt auf den Boden der Schachtel. – Ich arbeite in Euern Geschäften und wage viel dabei, doch für meinen lieben Schutzherrn tue ich alles als
Euer dienstwilligster
Meister Floh.«
– Hier gäb’ es nun für einen tüchtigen handfesten Romanschreiber, der mit starker, kielbewaffneter Hand alles menschliche Tun und Treiben zusammenarbeitet nach Herzenslust, die erwünschteste Gelegenheit, den heillosen Unterschied zwischen Verliebtsein und Lieben, nachdem solcher theoretisch genugsam abgehandelt, praktisch darzutun durch Peregrinus’ Beispiel. Viel ließe sich da sagen vom sinnlichen Triebe, von dem Fluch der Erbsünde und von dem himmlischen Prometheusfunken, der in der Liebe die wahrhafte Geistergemeinschaft des diversen Geschlechts entzündet, die den eigentlichen notwendigen Dualismus der Natur bildet. Sollte nun auch besagter Prometheusfunken nebenher die Fackel des Ehegottes anstecken wie ein tüchtiges hellbrennendes Wirtschaftslicht, bei dem es sich gut lesen, schreiben, stricken, nähen läßt, sollte auch eine fröhliche Nachkommenschaft sich ebensogut die Mäulchen gelegentlich mit Kirschmus beschmieren als jede andere, so ist das hienieden nun einmal nicht anders. Überdem nimmt sich eine solche himmlische Liebe als erhabene Poesie sehr gut aus, und als das Beste darf in der Tat gerühmt werden, daß diese Liebe kein leeres Hirngespinst, sondern daß wirklich etwas daran ist, wie viele Leute bezeugen können, denen es mit dieser Liebe bald gut, bald schlimm ergangen. –
Der geneigte Leser hat es aber längst erraten, daß Herr Peregrinus Tyß in die kleine Dörtje sich bloß beträchtlich verliebt hatte, daß aber erst in dem Augenblick, da er Lämmerhirts Röschen, das holde liebe Engelskind erblickt, die wahre himmlische Liebe hell aufloderte in seiner Brust.
Wenigen Dank würde aber gegenwärtiger Referent des tollsten, wunderlichsten aller Märchen einernten, wenn er, sich steif und fest an dem Paradeschritt der daherstolzierenden Romanisten haltend, nicht unterlassen könnte, hier die jedem regelrechten Roman höchst nötige Langeweile sattsam zu erregen. Nämlich dadurch, daß er bei jedem Stadium, das das Liebespaar, nach gewöhnlicher Weise, zu überstehen hat, sich gemächliche Ruh’ und Rast gönnte. Nein! laß uns, geliebter Leser, wie wackre, rüstige Reiter auf mutigen Rennern daherbrausend und alles, was links und rechts liegt, nicht achtend, dem Ziel entgegeneilen. – Wir sind da! – Seufzer, Liebesklagen, Schmerz, Entzücken, Seligkeit, alles einigt sich in dem Brennpunkt des Augenblicks, da das holde Röschen, das reizende Inkarnat holder Jungfräulichkeit auf den Wangen, dem überglücklichen Peregrinus Tyß gesteht, daß sie ihn liebe, ja, daß
Weitere Kostenlose Bücher