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Werke

Werke

Titel: Werke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: E.T.A. Hoffmann
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ist indessen diese Gabe des mikroskopischen Glases durchaus nicht im mindesten bedrohlich.
    Ihr wißt es, verehrtester und bald, will es das Geschick, glückseligster Herr Peregrinus, meine Nation ist leichten, ja leichtfertigen, mutigen Sinnes, und man könnte sagen, sie bestehe aus lauter jugendlich kecken Springinsfelden. Dabei kann ich meinesteils mich aber einer gar besondern Lebensklugheit berühmen, die euch weisen Menschenkindern gemeinhin abzugehen pflegt. Das heißt, ich habe nie etwas getan im unschicklichen Moment. Stechen ist nun einmal das Hauptbedingnis meines Seins; aber stets habe ich zu rechter Zeit und an rechter Stelle gestochen. Laßt Euch das zu Herzen gehen, ehrlicher treuer Freund!
    Ich empfange nun das Euch zugedachte Geschenk, welches weder das Präparat von Menschen, Swammerdamm genannt, noch der sich selbst in kleinlicher Mißgunst verzehrende Leuwenhoek besitzen konnte, aus Euren Händen zurück und werde es getreu bewahren. Jetzt, mein verehrtester Herr Tyß, überlaßt Euch dem Schlummer. Bald werdet Ihr in ein träumerisches Delirium verfallen, in welchem der große Moment sich kundtut. Zu rechter Zeit bin ich wieder bei Euch.«
    Meister Floh verschwand, und der Glanz, den er verbreitet, verlöschte in der tiefen finstren Nacht des Zimmers, dessen Vorhänge fest zugezogen.
    Es geschah, wie Meister Floh gesagt hatte.
    Herr Peregrinus Tyß wähnte bald, er liege an dem Ufer eines rauschenden Waldbachs und vernehme das Säuseln des Windes, das Flüstern der Gebüsche, das Sumsen von tausend Insekten, die ihn umschwirrten. Dann war es, als würden seltsame Stimmen vernehmbar und deutlicher und immer deutlicher, so daß Peregrinus zuletzt Worte zu verstehen glaubte.
    Doch nur ein verwirrtes sinnebetörendes Geschwätz drang in sein Ohr.
    Endlich begann eine dumpfe feierliche Stimme, die jedoch immer heller und heller erklang, folgende Worte:
    »Unglücklicher König Sekakis, der du das Verständnis der Natur verschmähtest, der du, verblendet von dem bösen Zauber des arglistigen Dämons, den falschen Teraphim erschautest statt des wahrhaften Geistes.
    An jenem verhängnisvollen Orte, auf Famagusta, in tiefem Schacht der Erde verborgen, lag der Talisman, doch da du dich selbst vernichtet, gab es kein Prinzip, seine erstarrte Kraft zu entzünden. Vergebens opfertest du deine Tochter, die schöne Gamaheh, vergebens war die Liebesverzweiflung der Distel Zeherit; doch auch ohnmächtig und wirkungslos blieb der Blutdurst des Egelprinzen. Gezwungen wurde selbst der tölpische Genius Thetel, die süße Beute fahren zu lassen; denn so mächtig war noch, o König Sekakis, dein halberloschener Gedanke, daß du die Verlorne wiedergeben konntest dem Urelement, dem sie entsprossen.
    Wahnsinnige Detailhändler der Natur, daß euch die Arme in die Hände fallen mußte, daß ihr sie in dem Blumenstaub jener verhängnisvollen Harlemer Tulpe entdecktet! Daß ihr sie quälen mußtet mit euren abscheulichen Versuchen, in kindischem Übermut wähnend, ihr vermöchtet durch eure schnöden Künste das zu bewirken, was nur durch die Kraft des schlummernden Talismans geschehen kann!
    Und auch dir, Meister Floh, mocht’ es nicht vergönnt sein, das Geheimnis zu durchschauen, da deinem klaren Blick doch nicht die Kraft innewohnte, einzudringen in die Tiefe der Erde und den erstarrten Karfunkel zu erspähen.
    Die Gestirne zogen daher, durchkreuzten sich auf ihrer Bahn in wunderbaren Schwingungen, und furchtbare Konstellationen erzeugten das Staunenswerte, das dem blöden Auge des Menschen Unerforschliche. Doch kein siderischer Konflikt weckte den Karfunkel; denn nicht geboren wurde das menschliche Gemüt, das den Karfunkel hegen und pflegen müßte, damit er in der Erkenntnis des Höchsten in der menschlichen Natur erwache zu freudigem Leben – doch endlich! –
    Das Wunder ist erfüllt, der Augenblick ist gekommen.«
    Ein heller flackernder Schein fuhr bei Peregrinus’ Augen vorüber. Er erwachte halb aus der Betäubung und – gewahrte zu seinem nicht geringen Erstaunen den Meister Floh, der in seiner mikroskopischen Gestalt, jedoch in den schönsten faltenreichen Talar gehüllt, eine hochauflodernde Fackel in den Vorderpfötchen haltend, emsig und geschäftig in dem Zimmer auf und nieder hüpfte und dabei feine geltende Töne ausstieß.
    Herr Peregrinus wollte sich ganz aus dem Schlafe ermuntern; doch plötzlich zuckten tausend feurige Blitze durch das Gemach, das bald von einem einzigen glühenden Feuerballe

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