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Werke

Werke

Titel: Werke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: E.T.A. Hoffmann
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aufgenommen, aber die Person stelle dir nach mit seltsamen Verlockungen. Doch das ist beileibe noch nicht das Schlimmste, denke dir, mein geliebter Peregrinus, die alte Muhme geradeüber, – du kennst sie wohl, die alte Frau mit der spitzen Nase, die so freundlich hinübergrüßt, wenn sie dich sieht, und von der du einmal sagtest, als du sie Sonntags in ihrem bunten stoffenen Ehrenkleide nach der Kirche ziehen sahst, – ich muß noch lachen, wenn ich daran denke, – es wolle dich gemahnen, als wandle ein Feuerlilienstrauch über die Straße, diese mißtrauische Muhme hat mir allerlei Böses in den Kopf setzen wollen.
    So freundlich sie dich auch grüßt, so hat sie mich doch stets vor dir gewarnt und nichts Geringeres behauptet, als daß in deinem Hause Satanskünste getrieben würden, und daß die kleine Dörtje gar nichts anders sei, als ein kleines verkapptes Teufelchen, welches, um dich zu verlocken, in Menschengestalt umherwandle, und zwar in gar anmutiger und verführerischer.
    Peregrinus! mein holder, geliebter Peregrinus, sieh mir ins Auge, du wirst keine Spur des leisesten Argwohns finden, ich habe dein reines Gemüt erkannt, niemals hat dein Wort, dein Blick nur einen verfinsternden Hauch auf den hellen klaren Spiegel meiner Seele geworfen.
    Ich vertraue dir, ich vertraue dem Gedanken der Seligkeit, die über uns kommen wird, wann ein festes Band uns verknüpft, und die mir süße Träume voll Liebe und Sehnsucht verkündet! Peregrinus! mögen auch finstre Geister über dich beschlossen haben, was sie wollen, ihre Macht scheitert, gebrochen an deinem frommen Wesen, das fest und stark ist in Liebe und unwandelbarer Treue.
    Was soll, was kann eine Liebe verstören wie die unsrige; verbanne jeden Zweifel, unsre Liebe ist der Talisman, vor dem die nächtigen Gestalten fliehen.« –
    Dem Peregrinus kam Röschen in diesem Augenblick vor wie ein höheres Wesen, jedes ihrer Worte wie Trost des Himmels. Ein unbeschreiblich Gefühl der reinsten Wonne durchströmte sein Innres wie milder süßer Frühlingshauch. Er war nicht mehr der Sünder, der vermeßne Frevler, für den er sich gehalten, er glaubte mit Entzücken zu erkennen, daß er wert sei der Liebe der holdesten, engelreinsten Jungfrau.
    Der Buchbindermeister Lämmerhirt kehrte mit seiner Familie von einem Spaziergange zurück.
    Dem Peregrinus sowie dem süßen Röschen strömte das Herz über, und Herr Peregrinus verließ beim Einbruch der Nacht die enge Wohnung des himmelhoch erfreuten Buchbinders und seiner guten Alten, die vor lauter Wonne und Freude ein wenig mehr schluchzten als gerade nötig, als glücklicher, seliger Bräutigam.
    Alle glaubwürdige und sehr authentische Notizen, aus denen diese wundersame Geschichte entnommen, stimmen darin überein, und der hundertjährige Kalender bestätiget es, daß gerade in der Nacht, da Herr Peregrinus Tyß als glücklicher Bräutigam nach Hause kam, der Vollmond sehr hell und freundlich schien, so daß der ganze Roßmarkt sich in seinem Silberglanz gar anmutig geputzt hatte. Natürlich scheint es, daß Herr Peregrinus Tyß, statt die Ruhe zu suchen, sich ins offene Fenster legte, um, wie es Liebenden ziemlich ist und wohl ansteht, in den Mond guckend, noch ein wenig den Gedanken an seine holde Geliebte nachzuhängen.
    Mag es nun aber auch bei dem geneigten Leser, vorzüglich aber bei den geneigten Leserinnen dem Herrn Peregrinus Tyß zum offenbaren Nachteil gereichen, der Wahrheit muß ihr Recht geschehen, und es darf nicht verschwiegen bleiben, daß Herr Peregrinus, trotz seiner Seligkeit, zweimal so übermäßig und so laut gähnte, daß ein etwas angetrunkener Markthelfer, der gerade über die Straße taumelte, ihm laut zurief: »Na! er da oben mit der weißen Nachtmütze, fress’ er mich nur nicht auf!« Dies war nun die genügende Ursache, warum Herr Peregrinus Tyß ganz unwillig das Fenster zuwarf, so daß die Scheiben klirrten. Man will sogar behaupten, daß er während dieses Akts laut genug gerufen: »Grober Schlingel!!« Doch kann dies durchaus nicht verbürgt werden; da solches mit seiner sanften Gemütsart und Seelenstimmung ganz unverträglich scheint. Genug! Herr Peregrinus Tyß warf das Fenster zu und begab sich zur Ruhe. Das Bedürfnis des Schlafes schien indessen durch jenes unmäßige Gähnen beseitigt zu sein. Gedanken und Gedanken durchkreuzten sein Gehirn, und vorzüglich lebhaft trat ihm die überstandene Gefahr vor Augen, da eine finstere Macht ihn zu einem verruchten Gebrauch des

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