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Werke

Werke

Titel: Werke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: E.T.A. Hoffmann
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Melancholie gab es nur dumpfe Gerüchte. So viel war gewiß, daß damals, als die Gemahlin des Fürsten den Erbprinzen geboren und das ganze Land von freudigem Jubel ertönte, wenige Monate nachher Mutter und Kind verschwanden auf unbegreifliche Weise. Manche meinten, Gemahlin und Sohn wären als Opfer einer unerhörten Kabale entführt worden, andere behaupteten dagegen, der Fürst habe beide verstoßen. Diese bezogen sich, um ihre Behauptung zu unterstützen, auf den Umstand, daß zu derselben Zeit der Graf von Törny, erster Minister und entschiedener Liebling des Fürsten, vom Hofe entfernt worden, und es scheine gewiß, daß der Fürst ein verbrecherisches Verhältnis zwischen der Fürstin und dem Grafen entdeckt und an der Echtheit des gebornen Sohnes gezweifelt.
    Alle, die die Fürstin näher gekannt, waren aber im Innersten überzeugt, daß bei der reinsten, unbeflecktesten Tugend, wie sie die Fürstin bewährt, ein solcher Fehltritt ganz undenkbar, ganz unmöglich sei.
    Niemand in Sonsitz durfte bei harter Ahndung auch nur ein Wort über das Verschwinden der Fürstin äußern. Aufpasser lauerten überall, und plötzliche Verhaftungen derer, die nur irgendwo anders als innerhalb ihres Zimmers davon gesprochen, zeigten, wie man, ohne es zu ahnen, belauscht, behorcht wurde. Ebenso durfte auch über den Fürsten, über seinen Kummer, über sein ganzes Tun und Treiben kein Wort gesprochen werden, und dieser tyrannische Zwang war die ärgste Bedrängnis der Bewohner einer kleinen Residenz, die eben nichts lieber im Munde führen als den Fürsten und den Hof. –
    Des Fürsten liebster Aufenthalt war ein kleines, dicht vor den Toren von Sonsitz gelegenes Landbaus mit einem weitläuftigen eingehegten Park.
    In den düstern wildverwachsenen Gängen dieses Parks wandelte eines Tages der Fürst, sich ganz hingebend dem zerstörenden Gram, der in seiner Brust wühlte, als er plötzlich ganz unfern ein seltsames Geräusch vernahm. – Unartikulierte Töne – ein Ächzen – Stöhnen, dazwischen wieder ein widriges Quieken – Grunzen – und dann wie in erstickter Wut dumpf ausgestoßene Schimpfwörter. – Erzürnt, wer es gewagt, dem strengsten Verbot entgegen einzudringen in den Park, trat der Fürst schnell aus dem Gebüsch, und es bot sich ihm ein Schauspiel dar, das den griesgramigsten Smelfungus zum Lachen hätte reizen können. – Zwei Männer, der eine lang und knochendürr, wie die Hektik selbst, der andere ein kleines glaues Falstafflein, in den schmuckesten Sonntagskleidern des idealen Spießbürgers angetan, waren im heftigsten Faustkampf begriffen. Der Große säbelte mit den langen Armen, die mit den geballten Fäusten mächtigen Streitkolben nicht unähnlich, so unbarmherzig auf den Kleinen los, daß jeder fernere Widerstand unnütz und nichts anders ratsam schien als schnelle Flucht. Doch Mut im Herzen, wollte der Kleine, gleich den Parthern, noch fliehend fechten. Da krallte sich aber der Große fest in das Haupthaar des Gegners. Schlechte Intention! – Die Perücke blieb ihm in der Hand, der Kleine nützte strategisch die Puderwolke, die ihn einhüllte, duckte schnell nieder und unterlief mit vorgestreckten Fäusten so behende und geschickt den Großen, daß dieser mit einem gellenden Schrei rücklings überstürzte. Nun warf sich der Kleine auf den Großen, enterte sich fest, die linke Hand mit gebogenen Fingern zweckmäßig als Enterhaken brauchend, in der Halsbinde des Gegners und arbeitete mit den Knieen und der rechten Faust so schonungslos auf den Großen ein, daß dieser, kirschblau im ganzen Antlitz, gräßliche Laute ausstieß. Doch plötzlich fuhr nun der Große dem Kleinen mit den spitzen Knochenfingern so gewaltig in die Seiten und gab mit der letzten Kraft der Verzweiflung sich selbst einen solchen Schwung, daß der Kleine in die Höhe geschleudert wurde wie ein Ball und niederstürzte dicht vor dem Fürsten.
    »Hunde!« rief der Fürst mit der Stimme eines ergrimmten Löwen, »Hunde, welch ein Satan hat euch eingelassen? Was wollt ihr?«
    Man kann denken, mit welchem Entsetzen die beiden ergrimmten Gymnastiker sich aufrafften vom Boden, wie sie nun gleich armen verlorenen Sündern, bebend, zitternd, keines Worts, keines Lauts mächtig, vor dem erzürnten Fürsten standen.
    »Fort,« rief der Fürst, »fort auf der Stelle, hinauspeitschen lasse ich euch, wenn ihr noch einen Augenblick weilt.«
    Da fiel der Große nieder auf die Knie und brüllte, ganz Verzweiflung: »Durchlauchtigster

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