Werke
zu sein er die Ehre habe, werde bald der verdammten Hexe das Handwerk legen, vorzüglich weil sie eine Pfuscherin sei und keine wahre ordentliche Hexe. Denn daß sie jedes Lebenslauf in der Tasche habe und in nuce, wiewohl in absonderlichen, schlecht stilisierten Redensarten, durch den Raben hersagen lasse, sei übrigens kein solch großes Kunststück. Wäre doch noch zum vorigen Jahrmarkt ein Maler und Bilderhändler am Orte gewesen, in dessen Bude ein jeder sein wohlgetroffenes Porträt habe finden können.
Alles lachte laut auf. »Das ist,« rief ein junger Mann dem Deodatus zu, »das ist etwas für Sie, Herr Haberland. Sie sind ja selbst ein tüchtiger Porträtmaler, aber so hoch haben Sie Ihre Kunst doch wohl nicht gesteigert!«
Deodatus, schon zum zweitenmal als Herr Haberland, der, wie er nun vernommen, ein Maler sein mußte, angesprochen, konnte sich eines innern Schauers nicht erwehren, indem es ihm plötzlich vorkam, als sei er mit seiner Gestalt und seinem Wesen der unheimliche Spuk jenes ihm unbekannten Haberlands. Aber bis zum Entsetzlichen wurde dieses innere Grauen gesteigert, als in dem Augenblick, noch ehe er dem, der ihn als Haberland angeredet, antworten konnte, ein junger Mensch in Reisekleidern auf ihn zustürzte und ihn heftig in seine Arme schloß, laut rufend: »Haberland – liebster bester George, hab’ ich dich endlich getroffen! Nun können wir fröhlich unsern Weg fortwandern nach dem schönen Italia! Aber du siehst so blaß und verstört?« –
Deodatus erwiderte die Umarmung des ihm unbekannten Fremden, als sei er in der Tat der längst gesuchte und erwartete Maler George Haberland. Er merkte wohl, daß er nun wirklich in den Kreis der wunderbaren Erscheinungen trete, die ihm sein alter Vater in mancherlei Andeutungen verkündet hatte. Er mußte sich hingeben allem dem, was die dunkle Macht über ihn beschlossen. Aber jene Ironie des tiefsten Grimms gegen fremde unerreichbare Willkür, in der man Eigenes zu bewahren und zu erhalten strebt, erfaßte ihn gewaltig. In verzehrendem Feuer erglüht, hielt er den Fremden fest bei beiden Armen und rief: »Ei du unbekannter Bruder, wie sollt’ ich nicht konfus aussehen, da ich soeben mit meinem Ich in einen andern Menschen gefahren bin wie in einen neuen Überrock, der hin und wieder zu eng ist oder zu weit, der noch drückt und preßt. Ei du mein Junge, bin ich denn nicht wirklich der Maler George Haberland?«
»Ich weiß nicht,« sprach der Fremde, »wie du mir heute vorkommst, George. Bist du denn wieder einmal von deinem wunderlichen Wesen befangen, das über dich kommt wie eine periodische Krankheit? Überhaupt wollt’ ich fragen, was du denn mit all dem unverständlichen Zeuge haben willst, der deinen letzten Brief anfüllt«
Damit holte der Fremde einen Brief hervor und schlug ihn auseinander. Sowie Deodatus hineinblickte, schrie er auf, wie von einer unsichtbaren feindlichen Macht schmerzhaft berührt. Die Handschrift des Briefes war ja ganz genau seine eigene.
Der Fremde warf einen raschen Blick auf Deodatus und las dann langsam und leise aus dem Briefe:
»Ach, lieber Kunstbruder Berthold! Du weißt nicht, welch eine düstere, schmerzende und doch wohltuende Schwermut mich befängt, je weiter ich fortwandere. Sollst Du es wohl glauben, daß mir meine Kunst, ja all mein Leben, Tun und Treiben oft schal und dürftig vorkommt? Aber dann erwachen süße Träume aus meiner fröhlichen frischen Jugendzeit. Ich liege in des alten Priesters kleinem Garten ins Gras hingestreckt und schaue hinauf, wie der holde Frühling auf goldnen Morgenwolken dahergezogen kommt. Die Blümlein schlagen, von dem Schimmer geweckt, die lieblichen Augen auf und strahlen ihre Düfte empor wie ein herrliches Loblied. Ach, Berthold! – mir will die Brust zerspringen vor Liebe, vor Sehnsucht, vor brünstigem Verlangen! Wo finde ich sie wieder, die mein ganzes Leben ist, mein ganzes Sein! – Ich gedenke Dich in Hohenflüh zu treffen, wo ich einige Tage verweile. Es ist mir, als müsse mir eben in Hohenflüh was Besonderes begegnen, woher dieser Glaube, weiß ich nicht!« – –
»Nun sage mir,« sprach der Kupferstecher Berthold – das war eben der Fremde – weiter, nachdem er dies gelesen, »nun sage mir nur, Bruder George, wie du in frischer fröhlicher Jugend auf der vergnüglichen Reise nach dem Kunstlande solcher weichlicher Schwärmerei nachhängen magst.«
»Ja, lieber Kunstbruder,« erwiderte Deodatus, »es ist mit mir ein ganz tolles
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