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Werke

Werke

Titel: Werke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: E.T.A. Hoffmann
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Fürst – gnädigster Landesherr – Gerechtigkeit – Blut für Blut!« –
    Das Wort Gerechtigkeit war noch eins von den wenigen, das stark anschlug an des Fürsten Ohr. Er faßte den Großen stark ins Auge und sprach gemäßigter. »Was ist’s, sprecht, aber nehmt Euch in acht vor allen dummen Worten und macht’s kurz.«
    – Vielleicht hat es der geneigte Leser schon geahnt, daß die beiden tapfern Kämpfer niemand anders waren als die beiden berühmten Gastwirte zum »Goldnen Bock« und zum »Silbernen Lamm« aus Hohenflüh. In dem immer höher gesteigerten Groll gegeneinander waren sie zu dem wahnsinnigen Entschluß gekommen, da ihnen der hochweise Rat nicht genügte, dem Fürsten selbst allen Tort zu klagen, den jeder vom andern erlitten zu haben glaubte, und der Zufall ließ es geschehen, daß beide in demselben Augenblick zusammentrafen vor dem äußersten Gattertor des Parks, das ein einfältiger Gärtnerbursche ihnen öffnete. Beide können fernerhin sehr schicklich mit ihren Schildnamen bezeichnet werden! –
    Also! – der goldne Bock, ermutigt durch des Fürsten ruhigere Frage, wollte eben beginnen, als ihn vielleicht in Gefolge des feindlichen Enterns ein solch fürchterliches krächzendes Husten überfiel, daß er kein Wort hervorzubringen vermochte.
    Diesen verderblichen Zufall nutzte augenblicklich das silberne Lamm und stellte mit nicht geringer Beredsamkeit dem Fürsten all die Unbild vor, die ihm der goldne Bock zufüge, der alle Gäste anlocke, indem er alle nur mögliche Hanswürste, Marktschreier, Wahrsager und anderes Gesindel bei sich aufnehme. Er beschrieb die weise Frau mit dem Raben, er sprach von ihren schnöden Künsten, von ihren Orakelsprüchen, mit denen sie die Leute hinters Licht führe. Das schien die Aufmerksamkeit des Fürsten zu fesseln. Er ließ sich die Gestalt der Frau von Kopf bis zu Fuß beschreiben, er fragte, wann sie gekommen, wo sie geblieben. Das Lamm meinte, er seinerseits halte das Weib für nichts anders als für eine betrügerische halb wahnsinnige Zigeunerin, die ein hochweiser Rat zu Hohenflüh hätte sogleich festnehmen lassen sollen.
    Der Fürst heftete den funkelnden durchbohrenden Blick auf das arme Lamm, das, als hätt’ es in die Sonne geschaut, sogleich ausbrach in ein heftiges Niesen.
    Dies nützte sofort der goldne Bock, der sich indessen vom Husten erholt und nur auf den Moment gelauert hatte, dem Lamm die Rede abzuschneiden. Der Bock berichtete in süß und sanft tönenden Worten, daß alles, was das Lamm von der Aufnahme schädlichen polizeiwidrigen Gesindels berichtet, die schändlichste Verleumdung sei. Insonderheit rühmte der Bock die weise Frau, von der die gescheitesten brillantsten Herren, die größten Genies von Hohenflüh, die er täglich an seiner Tafel zu bewirten die Ehre, behaupteten, sie sei ein überirdisches Wesen und höher zu achten als die ausgebildetste Somnambüle. Ach, gar arg ging’ es aber zu bei dem silbernen Lamm. Einen artigen, schönen, jungen Herrn habe das silberne Lamm von ihm weggelockt, als er nach Hohenflüh zurückgekehrt, und gleich in der folgenden Nacht sei er auf seinem Zimmer mörderisch angefallen und durch einen Pistolenschuß verwundet worden, so daß er hoffnungslos darniederläge.
    Jede fernere Rücksicht, jede Ehrfurcht vor dem Fürsten in der Wut vergessend, brach das silberne Lamm los und schrie, derjenige, welcher behaupte, daß der junge Herr George Haberland auf seinem Zimmer angefallen und verwundet worden, sei der niederträchtigste Spitzbube und abgefeimteste Halunkenkerl, der jemals Beinschellen getragen und die Gassen gekehrt. Vielmehr habe wohllöbliche Polizei in Hohenflüh ermittelt, daß er in selbiger Nacht vor das Neudorfer Tor spaziert, daß dort ein Wagen gehalten, aus dem eine weibliche Stimme gerufen: »Rette Natalien,« daß darauf der junge Herr in den Wagen gesprungen. – »Wer war das Weib im Wagen?« fragte der Fürst mit strengem Ton.
    »Man sagt,« stotterte der goldne Bock, um nur wieder zum Wort zu kommen, »man sagt, die weise Frau habe« –
    Die Rede blieb dem goldnen Bock in der Kehle stecken vor dem furchtbaren Blick des Fürsten, und als dieser ihm ein tötendes »Nun? was weiter?« zurief, fiel das silberne Lamm, das gerade außer der Richtung jener Strahlen im Schatten stand, leise stammelnd ein: »Ja, die weise Frau und der Herr Maler George Haberland – Im Walde hat er den Schuß erhalten, das weiß ja die ganze Stadt – aus dem Walde haben sie ihn geholt

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