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Werke

Werke

Titel: Werke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: E.T.A. Hoffmann
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absonderliches Ding. Sowie das nun gleich gar possierlich ist, daß ich recht aus der tiefsten Seele das geschrieben, was du eben lasest, und daß ich dennoch gar nicht der Georg Haberland bin, den du« –
    In dem Augenblick trat der junge Mann hinein, der schon früher den Deodatus als Georg Haberland begrüßt hatte, und meinte, Georg habe recht getan, daß er der weisen Frau halber noch einmal zurückgekehrt sei. Er solle sich an all das Geschwätz bei Tische gar nicht kehren, denn wollten auch die Weissagungen des Raben eben nicht viel bedeuten, so sei es doch höchst merkwürdig, wenn sie, die weise Frau, selbst auftrete wie eine zweite Sibylle oder Pythia und in beinahe wilder Begeisterung geheimnisvolle Sprüche hersage, indem dumpfe geheimnisvolle Stimmen sie umtönten. Sie gebe heute in dem geräumigen Boskett des Gartens eine solche Darstellung, die Georg durchaus nicht versäumen müsse.
    Berthold ging, um manches Geschäft, das ihm in Hohenflüh oblag, abzutun. Deodatus ließ es sich gefallen, mit jenem jungen Mann ein paar Flaschen zu leeren und so die Zeit bis zum Sonnenuntergang hinzubringen.
    Die Gesellschaft, die im Zimmer versammelt, brach endlich auf, um sich nach dem Garten zu begeben. Da strich auf dem Flur ein langer hagrer, vornehm gekleideter Mann, der eben angekommen schien, bei ihnen vorüber. Im Begriff, in die Zimmer hineinzutreten, wandte er sich noch einmal um, sein Blick fiel auf Deodatus, und den Türdrücker in der Hand, blieb er wie eingewurzelt stehen! Wildes Feuer blitzte aus seinen düstern Augen, während Totenblässe sein krampfhaft zuckendes Antlitz überzog. Er trat einen Schritt vorwärts auf die Gesellschaft zu, doch wie plötzlich sich besinnend, kehrte er wieder um, rannte hinein in das Zimmer und warf dröhnend die Türe hinter sich zu. Was er zwischen den Zähnen murmelte, konnte niemand verstehen.
    Mehr als dem jungen Schwendy war dem andern das Betragen des Fremden aufgefallen, Deodatus hatte nicht sonderlich darauf geachtet. Man begab sich nach dem Boskett. –
    Die letzten Strahlen der Abendsonne fielen auf eine hohe, von Kopf bis zu Fuß in ein weites erdgelbes Gewand gehüllte Gestalt, die den Zuschauern den Rücken zugewendet hatte. Neben ihr auf der Erde lag ein großer Rabe wie tot, mit gesenkten Flügeln. Alle wurden von dem fremden grauenhaften Anblick erfaßt, das leise Geflüster verstummte, und in dumpfem, die Brust belastenden Schweigen erwartete man, was die Gestalt beginnen werde.
    Ein Säuseln strömte, wie Wellengeplätscher wunderbar klingend, durch das dunkle Gebüsch und wurde zu Tönen, zu vernehmbaren Worten:
    »Phosphorus ist bezwungen. Der Feuerkessel glüht auf im Westen! – Nachtadler! schwing dich empor zu den erwachten Träumen.«
    Da erhob der Rabe das gesenkte Haupt, schlug mit den Flügeln und stieg krächzend in die Höhe. Die Gestalt breitete beide Arme aus, das Gewand fiel herab, und eine hohe wunderherrliche Frau stand da im weißen faltenreichen Kleide mit einem Gürtel von funkelnden Steinen und schwarzen, hochaufgenestelten Haaren. Hals, Nacken und Arme zeigten entblößte, jugendlich üppige Formen.
    »Das ist ja nicht die Alte!« so flüsterte es durch die Reihen der Zuschauer –
    Jetzt begann eine ferne dumpfe Stimme:
    »Hörst du, wie es im Abendwinde heult und jammert?«
    Eine noch fernere Stimme murmelte:
    »Die Klage beginnt, wenn der Glutwurm leuchtet!«
    Da ging ein entsetzlich herzzerschneidender Jammer durch die Lüfte. Die Frau sprach:
    »Ihr fernen Klagetöne, habt ihr euch losgewunden aus der Brust des Menschen, daß ihr vermöget, frei euch zu erheben im gewaltigen Chor? – Aber verhallen müßt ihr in Lust, denn die in segensreichen Himmeln thronende Macht, die euch gebietet, ist ja die Sehnsucht.«
    Die dumpfen Stimmen heulten stärker:
    »Die Hoffnung ist gestorben! Der Sehnsucht Lust war die Hoffnung. Sehnsucht ohne Hoffnung ist namenlose Qual!«
    Tief auf seufzte die Frau und rief wie in Verzweiflung:
    »Die Hoffnung ist der Tod! – Das Leben dunkler Mächte grauses Spiel!«
    Da schrie Deodatus unwillkürlich aus dem Innersten heraus: »Natalie!«
    Rasch wandte sich die Frau um, und ein altes, fürchterlich verzerrtes Weiberantlitz starrte ihn an mit glühenden Augen. Grimmig mit aufgespreizten Armen auf ihn losfahrend, kreischte das Weib: »Was willst du hier? – Fort! Fort! – der Mord ist hinter dir her! – Rette Natalien!« – Der Rabe rauschte durch die Bäume herab auf Deodatus und krächzte

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