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Werke

Werke

Titel: Werke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: E.T.A. Hoffmann
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der junge Mensch, denn jung war er, das war sichtlich, unerachtet er sein Antlitz mit allerlei Farben häßlich beschmiert und durch eine große Doktorperücke, auf der ein kleines winziges Tressenhütlein saß, auf widrige Weise entstellt hatte. Dazu trug er einen abgeschabten roten Samtrock mit großen goldstoffnen Aufschlägen, einen offnen Hamletskragen, schwarzseidne Unterkleider nach der letzten Mode, auf den Schuhen große bunte Bandschleifen und ein zierliches Ritterschwert an der Seite.
    Er schnitt die tollsten Gesichter und sprang hin und her in den lustigsten Kapriolen, so daß das Bauernvolk übermäßig lachte, doch Bertholden erschien das ganze Wesen wie der unheimliche Spuk des Wahnsinns, und überdem regte der tolle Mensch, wenn er ihn genau ins Auge faßte, in ihm Empfindungen auf, die er sich selbst nicht zu erklären wußte.
    Der Mensch blieb endlich in der Mitte eines Rasenplatzes vor der Schenke stehen und schlug auf seiner Trommel einen langen starken Wirbel. Auf dies Zeichen schloß das Landvolk einen großen Kreis, und der Mensch verkündete, daß er jetzt gleich vor dem verehrungswürdigen Publikum ein Schauspiel aufzuführen gedenke, wie es die höchsten Potentaten und Herrschaften nicht schöner und herrlicher geschaut.
    Die Zigeunerin ging nun im Kreise umher, bot unter närrischen Redensarten und Gebärden bald Korallenschnüre, Bänder, Heiligenbildchen u.a. zum Kauf aus, bald wahrsagte sie dieser, jener Dirne aus der Hand und trieb ihr, von Bräutigam und Hochzeit und Kindtaufe sprechend, das Blut in die Wangen, während die andern kicherten und lachten.
    Der junge Mensch hatte indessen die Körbe ausgepackt, ein kleines Gerüste gebaut und mit kleinen bunten Teppichen behängt. Berthold sah die Vorbereitungen zum Puppenspiel, das denn auch nach gewöhnlicher italienischer Art erfolgte. Pulcinell war von besonderer Aktivität und hielt sich tapfer, indem er sich aus den bedrohlichsten Gefahren mit Gewandtheit rettete und über seine Feinde stets die Oberhand gewann.
    Das Spiel schien geendet, als plötzlich der Puppenspieler sein zur furchtbaren Fratze verzerrtes Antlitz emporhob in den Raum der Puppen und mit todstarren Augen gerade hin in den Kreis blickte. Pulcinell von der einen Seite, der Doktor von der andern schienen über die Erscheinung des Riesenhaupts sehr erschrocken, dann erholten sie sich aber, beschauten sorglich mit Gläsern das Antlitz, betasteten Nase, Mund, die Stirn, zu der sie kaum hinauflangen konnten, und begannen einen sehr tiefsinnigen gelehrten Streit über die Beschaffenheit des Haupts und auf welchem Rumpf es sitzen könne, oder ob überhaupt ein Rumpf als dazugehörig anzunehmen. Der Doktor stellte die aberwitzigsten Hypothesen auf, Pulcinell zeigte aber dagegen viel Menschenverstand und hatte die lustigsten Einfälle. Darum wurden sie zuletzt einig, daß, da sie keinen zum Kopf gehörigen Körper wahrnehmen könnten, es auch keinen gäbe, nur meinte der Doktor, die Natur habe sich, als sie diesen Giganten ausgesprochen, einer rhetorischen Figur, einer Synekdoche bedient, nach der ein Teil das Ganze bezeichnet. Pulcinell behauptete dagegen, daß das Haupt ein Unglücklicher sei, dem vor vielem Denken und tollen Gedanken der Rumpf abhanden gekommen und der nun bei dem gänzlichen Mangel an Fäusten sich gegen Ohrfeigen, Nasenstüber u. dgl. nicht anders wehren könne als durch Schimpfen.
    Berthold merkte bald, daß hier nicht der Scherz galt, der ein schaulustiges Volk ergötzen kann, sondern daß der finstere Geist einer Ironie spuke, die dem mit sich selbst entzweiten Innern entsteigt. Das konnte sein frohes freundliches Gemüt nicht ertragen, er begab sich weg nach der Schenke und ließ sich an einem einsamen Plätzchen hinter derselben ein mäßiges Abendbrot auftragen.
    Bald vernahm er aus der Ferne Trommel, Pfeife und Triangel. Die Landleute strömten nach der Schenke, das Spiel war geendet.
    In dem Augenblick, als Berthold fortwandern wollte, stürzte mit dem lauten Ausruf: »Berthold – herzgeliebter Bruder!« jener tolle Puppenspieler herbei. Er riß die Perücke vom Haupt, wischte schnell die Farben vom Antlitz.
    – »Wie? – George! – ist es möglich?« So stammelte Berthold mühsam, beinahe zur Bildsäule erstarrt. »Was ist dir, kennst du mich denn nicht?« So fragte George Haberland voll Erstaunen. Berthold erklärte nun, daß, wenn er nicht an Gespenster glauben wolle, er freilich nicht zweifeln könne, seinen Freund vor sich zu sehen, wie

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