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Werke

Werke

Titel: Werke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: E.T.A. Hoffmann
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stattlich gekleidet in diesen, jenen Sonntagsrock des Professors von zuweilen etwas seltsamer Farbe und noch seltsamerem Schnitt, mit der Professorin und Gretchen nach der Kirche, und nachmittags wurde, erlaubt’ es die Witterung, eine Spazierfahrt nach einem nicht fern von der Stadt gelegenen Dörfchen gemacht.
    So dauerte das klösterliche einfache Leben fort, aus dem sich Eugenius nicht hinaussehnte, in dem ihm sein ganzes Wirken und Sein eingeschlossen schien. Wohl mag aber zehrender Krankheitsstoff sich im Innern gebären, wenn der Geist, seinen eignen Organismus verkennend, im unseligen Mißverständnis den Bedingungen des Lebens widerstrebt. Krankheit zu nennen war nämlich die hypochondrische Selbstgenügsamkeit, zu der Eugens ganzes Treiben erstarrte, und die, immer mehr ihm seine unbefangene Heiterkeit raubend, ihn für alles, was außer seinem engen Kreise lag, kalt, schroff, scheu erscheinen ließ. Da er niemals, außer an den Sonntagen, in Gesellschaft seiner Gattin-Mutter, das Haus verließ, so kam er aus aller Berührung mit seinen Freunden; Besuche vermied er auf das sorglichste, und selbst Severs, seines alten treuen Freundes, Gegenwart beängstete ihn so sichtlich, daß dieser auch wegblieb.
    »Es ist nun einmal so mit dir gekommen, du bist und mußt nun tot sein für uns. – Ein Erwachen würde dich erst recht töten!« –
    So sprach Sever, als er das letztemal den verlornen Freund verließ, dem es gar nicht einmal einfiel, darüber nachzudenken, was Sever mit jenen Worten wohl habe sagen wollen.
    Die Spuren des geistigen Verkränkelns zeigten sich auch bald auf Eugens todbleichem Antlitz. Alles Jugendfeuer in den Augen war erloschen, er sprach die matte Sprache des Engbrüstigen, und sah man ihn in dem Ehrenkleide des verstorbenen Professors, so mußte man glauben, der Alte wolle den Jüngling hinaustreiben aus seinem Rock und selbst wieder hineinwachsen. Vergebens forschte die Professorin, ob der Jüngling, um den ihr bangte, sich körperlich krank fühle und des Arztes bedürfe; er versicherte indessen, daß er sich niemals wohler gefühlt. –
    Eugenius saß eines Tages in der Gartenlaube, als die Professorin hineintrat, sich ihm gegenübersetzte und ihn stillschweigend betrachtete. Eugenius schien, in ein Buch vertieft, sie kaum zu bemerken.
    »Das,« begann endlich die Professorin, »das habe ich nicht gewollt, nicht gedacht, nicht geahnt!«
    Eugenius fuhr, beinahe erschreckt durch den fremdartigen scharfen Ton, in dem die Professorin jene Worte sprach, von seinem Sitze auf.
    »Eugenius,« fuhr die Professorin sanfter und milder fort, »Eugenius, Sie entziehen sich der Welt ganz und gar, es ist Ihre Lebensweise, die Ihre Jugend verstört! Ich, meinen Sie, sollte nicht tadeln, daß Sie in klösterlicher Einsamkeit sich einschließen in das Haus, daß Sie ganz mir und der Wissenschaft leben, aber es ist dem nicht so. Fern sei von mir der Gedanke, daß Sie Ihre schönsten Jahre einem Verhältnis opfern sollten, das Sie mißverstehen, indem Sie dies Opfer bringen. Nein, Eugenius, hinaus sollen Sie in das Leben treten, das Ihrem frommen Sinn nie gefährlich werden kann.«
    Eugenius versicherte, daß er gegen alles, was außer dem kleinen Kreise, der seine einzige Heimat sei, liege, einen innern Abscheu hege, daß er sich wenigstens unter den Menschen beängstet, unbehaglich fühlen werde, und daß er auch am Ende gar nicht wisse, wie er es anfangen solle, hinauszutreten aus seiner Einsamkeit.
    Die Professorin, ihre gewohnte Freundlichkeit wiedergewinnend, sagte ihm nun, daß der Professor Helms ebenso wie er das einsame, ganz den Studien gewidmete Leben geliebt, daß er aber demunerachtet sehr oft und in seinen jüngeren Jahren beinahe täglich ein gewisses Kaffeehaus besucht, in dem sich meistens Gelehrte, Schriftsteller, vorzüglich aber Fremde einzufinden pflegten. So sei er stets mit der Welt, mit dem Leben in Berührung geblieben, und oft habe er dort durch mancherlei Mitteilungen reichlich geerntet für seine Wissenschaft. Ein gleiches solle Eugenius tun.
    Hätte die Professorin nicht darauf bestanden, schwerlich wäre Eugenius dazu gekommen, sich wirklich hinauszuwagen aus seiner Klause.
    Das Kaffeehaus, dessen die Professorin gedachte, war in der Tat der Sammelplatz der schriftstellerischen Welt und nebenher der Ort, den Fremde zu besuchen pflegten, so daß in den Abendstunden ein buntes Gewühl in den Sälen auf- und abwogte.
    Man kann denken, wie seltsam dem Klausner Eugenius zumute

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