Werke
daß er wünsche, seine jetzige Lage möge fortdauern, solange er lebe.
Der Fremde hatte sehr aufmerksam alles angehört; dann sprach er mit bedeutendem scharfen Ton: »Ich lebte auch einmal einsam, viel einsamer als Sie, und glaubte in dieser Einsamkeit, die andere trostlos genannt hätten, daß das Schicksal keinen Anspruch mehr an mich habe. Da rauschten die Wogen des Lebens hoch auf, und mich ergriff ihr Strudel, der mich hinabzureißen drohte in den Abgrund. Doch bald hob ich, ein kühner Schwimmer, mich hoch empor und segle nun fröhlich und freudig daher auf silberheller Flut und fürchte nicht mehr die hoffnungslose Tiefe, die das Spiel der Wellen verbirgt. Nur auf der Höhe versteht man das Leben, dessen erster Anspruch ist, daß man seine Lust genieße. Und auf den heitern hellen Lebensgenuß wollen wir die Gläser leeren!«
Eugenius stieß an, ohne daß er den Fremden ganz verstanden. Seine Worte, in dem sonoren Spanisch gesprochen, klangen ihm wie fremde, aber recht ins Innere hineintönende Musik. Er fühlte sich zu dem Fremden hingezogen auf besondere Weise, selbst wußte er nicht warum.
Arm in Arm verließen die neuen Freunde das Kaffeehaus. In dem Augenblick, als sie auf der Straße sich trennten, kam Sever, der, als er Eugenius erblickte, voll Erstaunen stehenblieb.
»Sage,« sprach Sever, »sage mir um des Himmels willen, was hat das zu bedeuten? Du auf dem Kaffeehause? Du vertraulich mit einem Fremden? – Und noch dazu siehst du ganz erregt, erhitzt aus, als hättest du ein Glas Wein zuviel getrunken!«
Eugenius erzählte, wie alles gekommen, wie die Professorin darauf bestanden, daß er das Kaffeehaus besuchen solle, wie er dann die Bekanntschaft des Fremden gemacht.
»Was doch,« rief Sever, »was doch die alte Professorin für einen Scharfsinn hat fürs Leben! In der Tat, sie sieht ein, daß der Vogel flügge geworden, und läßt ihn sich versuchen im Fliegen! – O der klugen, weisen Frau!«
»Ich bitte dich,« erwiderte Eugenius, »schweige von meiner Mutter, die nichts will als mein Glück, meine Zufriedenheit, und deren Güte ich eben die Bekanntschaft des herrlichen Mannes verdanke, der mich soeben verließ.«
»Des herrlichen Mannes?« unterbrach Sever den Freund. »Nun, was mich betrifft, ich traue dem Kerl nicht über den Weg. Er ist übrigens ein Spanier und Sekretär des spanischen Grafen Angelo Mora, der seit kurzem angekommen und das schöne Landhaus vor der Stadt bezogen hat, das sonst, wie du weißt, dem bankerott gewordenen Bankier Overdeen gehörte. – Doch das wirst du schon alles wissen von ihm selbst.«
»Mitnichten,« erwiderte Eugen, »mir fiel es nicht ein, ihn nach Stand und Namen zu fragen.«
»Das ist,« sprach Sever lachend weiter, »das ist der wahre Weltbürgersinn, wackrer Eugen! – Der Kerl heißt Fermino Valies und ist ganz gewiß ein Spitzbube, denn sooft ich ihn sah, fiel mir an ihm ein gewisses heimtückisches Wesen auf, und dann traf ich ihn schon auf ganz besonderen Wegen. – Hüte dich – nimm dich in acht, o mein frommer Professorssohn!«
»Nun merk’ ich wohl,« sprach Eugen voller Unmut, »daß du es darauf abgesehen hast, mich durch deine lieblosen Urteile zu kränken, zu ärgern, aber du sollst mich nicht irremachen; die Stimme, die in meinem Innern spricht, die ist es, der ich allein traue, der ich allein folge.«
»Füge es,« erwiderte Sever, »füge es der Himmel, daß deine innere Stimme kein falsches Orakel sein mag!« –
Eugenius vermochte erst selbst nicht zu begreifen, wie es geschehen können, daß er dem Spanier in den ersten Augenblicken der Bekanntschaft sein ganzes Inneres erschlossen, und hatte er der Macht des Augenblicks die seltsame Aufregung zugeschrieben, in der er sich befunden, so mußte er nun, da das Bild des Fremden in seiner Seele unverwischt feststand, es sich selbst gestehen, daß das Geheimnisvolle, ja Wunderbare, wie es in dem ganzen Wesen des Fremden sich kundtat, mit wahrer Zauberkraft auf ihn gewirkt, und eben dieses Wesen schien ihm die Ursache des seltsamen Mißtrauens zu sein, das Sever wider den Spanier hegte.
Andern Tages, als Eugenius sich wieder auf dem Kaffeehause einfand, schien ihn der Fremde mit Ungeduld erwartet zu haben. Unrecht, meinte er, sei es gewesen, daß er gestern Eugenius’ Vertrauen nicht erwidert und nicht auch von seinen Lebensverhältnissen zu ihm gesprochen. Er nenne sich Fermino Valies, sei Spanier von Geburt und zurzeit Sekretär des spanischen Grafen Angelo Mora, den er
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