Werke
war, als er zum erstenmal sich in diesem Gewühle befand. Doch fühlte er seine Beklommenheit weichen, als er gewahrte, daß niemand sich um ihn kümmerte. Immer unbefangener geworden, trieb er es bis zu der Keckheit, irgendeine Erfrischung bei einem müßig dastehenden Kellner zu bestellen, bis ins Tabakzimmer zu dringen, Platz zu nehmen in einer Ecke und, den mannigfachen Gesprächen zuhorchend, wirklich selbst seiner Lieblingsneigung gemäß eine Pfeife zu rauchen. Nun erst gewann er eine gewisse Haltung, und von dem lustigen lauten Treiben um ihn her auf ihm fremde Weise erregt, blies er, ganz fröhlich und guter Dinge, die blauen Wolken vor sich her.
Dicht neben ihm nahm ein Mann Platz, dessen Bildung und Anstand den Fremden verriet. Er stand in der Blüte des männlichen Alters, mehr klein als groß, war er sehr wohlgestaltet, jede seiner Bewegungen rasch und geschmeidig, sein Antlitz voll eigentümlichen Ausdrucks. – Es war ihm unmöglich, sich mit dem herbeigerufenen Kellner zu verständigen, je mehr er sich deshalb mühte, je mehr er in Hitze geriet und Zorn, desto wunderlicher wurde das Deutsch, das er herausstotterte. Endlich rief er auf Spanisch: »Der Mensch tötet mich mit seiner Dummheit.« Eugenius verstand das Spanische sehr gut und sprach es so ziemlich. Aller Blödigkeit entsagend, nahte er sich dem Fremden und erbot sich, den Dolmetscher zu machen. Der Fremde schaute ihn an mit durchbohrendem Blick. Dann versicherte er aber, indem eine anmutige Freundlichkeit in seinem Gesichte aufglänzte, daß er es für ein besonderes Glück halte, auf jemanden zu treffen, der seine Muttersprache rede, die so selten gesprochen werde, unerachtet sie wohl die herrlichste sei, die es gäbe. Er rühmte Eugens Aussprache und schloß damit, daß die Bekanntschaft, die er der Gunst des Zufalls verdanke, fester geknüpft werden müsse, welches nicht besser geschehen könne, als bei einem Glase des geistigen feurigen Weins, der auf dem vaterländischen Boden wachse.
Eugenius errötete über und über wie ein verschämtes Kind; als er indessen ein paar Gläser von dem Xeres getrunken, den der Fremde hatte bringen lassen, fühlte er mit der behaglichen Wärme, die sein Innres durchströmte, eine ganz besondere Lust an des Fremden lebensheiterm Gespräch.
Er möge, begann endlich der Fremde, nachdem er den Eugenius einen Augenblick stillschweigend betrachtet, er möge es ihm nicht übel deuten, wenn er nun gestehe, daß bei dem ersten Blick er sich über sein Äußeres gar verwundert. Sein jugendliches Gesicht, seine ganze Bildung stehe nämlich mit seiner bis zum Bizarren altfränkischen Kleidung in solch wunderlichem Widerspruch, daß er ganz besondere Beweggründe vermuten müsse, die ihn nötigten, sich auf diese Weise zu verunstalten.
Eugenius errötete aufs neue, denn einen flüchtigen Blick auf seinen zimtfarbnen Ärmel mit den goldbesponnenen Knöpfen auf dem Aufschlag werfend, fühlte er selbst lebhaft, wie seltsam er abstechen müsse gegen alle, die im Saal befindlich, vorzüglich aber gegen den Fremden, der, nach der letzten Mode schwarz gekleidet, mit der feinsten, blendend weißen Wäsche, mit dem Brustnadelbrillant die Eleganz selbst schien.
Ohne Eugens Antwort abzuwarten, fuhr der Fremde fort, daß es durchaus außer seinem Charakter läge, jemanden seine Lebensverhältnisse abzufragen, indessen flöße ihm Eugenius ein solches hohes Interesse ein, daß er nicht umhinkönne, ihm zu gestehen, wie er ihn für einen jungen, vom Unglück, von drückender Sorge verfolgten Gelehrten halte. Sein blasses abgehärmtes Gesicht spräche dafür, und das altfränkische Kleid sei gewiß das Geschenk irgendeines alten Mäcens, das er in Ermanglung eines andern zu tragen gezwungen. Er könne und wolle helfen, er sähe ihn für seinen Landsmann an, und nur darum bitte er, alle engherzige Rücksichten beiseite zu setzen und so offen zu sein, als er es gegen den innigsten, bewährtesten Freund sein würde.
Eugenius errötete zum drittenmal, nun aber in dem bittern Gefühl, ja beinahe im Zorn über das Mißverständnis, das der unglückselige Rock des alten Helms vielleicht nicht bei dem Fremden allein, sondern bei allen Anwesenden veranlaßt. Eben dieser Zorn löste ihm aber Herz und Zunge. Er eröffnete dem Fremden sein ganzes Verhältnis, er sprach von der Professorin mit dem Enthusiasmus, den ihm die wahre kindliche Liebe zu der alten Frau einflößte, er versicherte, daß er der glücklichste Mensch sei auf Erden,
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