Werke
in Augsburg getroffen und mit dem er hergekommen. Das alles habe er schon gestern von einem seiner Freunde, namens Sever, erfahren, erwiderte Eugenius. Da flammte ein glühend Rot plötzlich auf des Spaniers Wangen und verschwand ebenso schnell. Dann sprach er mit stechendem Blick und beinahe bitter höhnendem Ton: »Nicht glauben konnt’ ich, daß Leute, um die ich mich nie gekümmert, mir die Ehre erzeigen würden, mich zu kennen. Doch glaub’ ich schwerlich, daß Ihr Freund Ihnen mehr über mich wird sagen können als ich selbst.« – Fermino Valies vertraute nun ohne Hehl seinem neuen Freunde, daß er, kaum der Knabenzeit entwachsen, verführt durch die boshafte Arglist mächtiger Verwandten, in ein Kloster gegangen und Gelübde getan, gegen die sich später sein Innerstes empört. Ja, bedroht von der Gefahr, in immerwährender namenloser Marter hoffnungslos hinzusiechen, habe er dem Drange nicht widerstehen können, sich in Freiheit zu setzen, und sei, als die Gunst des Schicksals ihm eine Gelegenheit dazu dargeboten, entflohen aus dem Kloster. Lebendig, mit den glühendsten Farben, schilderte nun Fermino das Leben in jenem strengen Orden, dessen Regel der erfinderische Wahnsinn des höchsten Fanatismus geschaffen, und um so greller stach dagegen das Bild ab, das er von seinem Leben in der Welt aufstellte, und das so reich und bunt war, wie man es nur bei einem geistvollen Abenteurer voraussetzen kann.
Eugenius fand sich wie von Zauberkreisen umfangen, er glaubte in dem magischen Spiegel des Traums eine ihm neue Welt voll glänzender Gestalten zu erblicken, und unbemerkt erfüllte seine Brust die Sehnsucht, selbst dieser Welt anzugehören. Er gewahrte, daß seine Verwunderung über manches, vorzüglich aber diese, jene Frage, die er unwillkürlich dazwischenwarf, dem Spanier ein Lächeln entlockte, das ihm Schamröte ins Gesicht trieb. Ihm kam der niederschlagende Gedanke, daß er in Mannesjahren ein Kind geblieben!
Nicht fehlen konnte es, daß der Spanier mit jedem Tage mehr Herrschaft gewann über den unerfahrnen Eugenius. Sowie nur die gewöhnliche Stunde schlug, eilte Eugenius nach dem Kaffeehause und blieb länger und länger, da ihn, mochte er es sich selbst auch nicht gestehen, vor der Rückkehr aus heitrer Welt in die häusliche Einöde graute. Fermino wußte den kleinen Kreis, in dem er sich bis jetzt mit seinem neuen Freunde bewegt, geschickt zu erweitern. Er besuchte mit Eugenius das Theater, die öffentlichen Spaziergänge, und gewöhnlich endeten sie den Abend in irgendeiner Restauration, wo hitzige Getränke die aufgeregte Stimmung, in der sich Eugenius befand, bald bis zur Ausgelassenheit steigerten. Spät in der Nacht kam er nach Hause, warf sich aufs Lager, nicht um wie sonst ruhig zu schlafen, sondern um sich hinzugeben verwirrten Träumen, die ihm oft Gebilde vorüberführten, vor denen er sich sonst entsetzt haben würde. – Matt und abgespannt, unfähig zu wissenschaftlicher Arbeit fühlte er sich dann am Morgen, und erst wann die Stunde schlug, in der er den Spanier zu sehen gewohnt, kamen alle Geister des wildverstörten Lebens in ihm zurück, die unwiderstehlich ihn forttrieben.
Eben zu solcher Stunde, als Eugenius wieder forteilen wollte nach dem Kaffeehause, guckte er, wie er zu tun gewohnt, in das Zimmer der Professorin, um flüchtig Abschied zu nehmen.
»Treten Sie herein, Eugenius, ich habe mit Ihnen zu reden!« So rief ihm die Professorin entgegen, und in dem Ton, mit dem sie diese Worte sprach, lag so viel strenger, ganz ungewohnter Ernst, daß Eugenius festgebannt wurde von jäher Bestürzung.
Er trat ins Zimmer; nicht ertragen konnte er den Blick der Alten, in dem sich tiefer Verdruß mit niederbeugender Würde paarte.
Mit ruhiger Festigkeit hielt nun die Professorin dem Jüngling vor, wie er sich nach und nach zu einer Lebensart verlocken lassen, die alle Ehrbarkeit, alle gute Sitte und Ordnung verhöhne und ihn über kurz oder lang ins Verderben stürzen werde.
Wohl mochte es sein, daß die Alte, die Bedingnisse des Jugendlebens zu sehr nach der Sitte älterer frömmerer Zeit abwägend, in ihrer langen und bisweilen zu heftig werdenden Strafpredigt das richtige Maß überschritt. So mußte es aber kommen, daß das Gefühl des Unrechts, das erst den Jüngling erfaßt hatte, unterging in dem bittern Unmut, den die immer mächtiger werdende Überzeugung, wie er sich doch niemals einem eigentlich sträflichen Hange überlassen, in ihm erregte. Wie es denn zu geschehen
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