Werke
Blick, »wer mag es ruhig ansehen, wenn das arme bedauernswürdige Handlangervolk ohne Not über alle Gebühr geschunden und geplagt wird! Und wer weiß, was mein Vorwitz nicht noch für ersprießliche Folgen haben wird.« – Es traf wirklich so ein!
Ein einziger Mann von solch eminentem Geist, daß seinem Scharfblick kein noch so flüchtig hingeworfener Funke entging, faßte die Äußerung des Jünglings, die ihm von dem Baumeister selbst als ein vorwitziges Wort eines jungen Kiekindiewelt hinterbracht wurde, gar anders auf, als die übrigen. Dieser Mann war der Fürstbischof selbst. Er ließ den Jüngling vor sich kommen, um ihn näher über seine Äußerung zu befragen, und wurde nicht wenig von seinem Anblick, von seinem ganzen Wesen in Erstaunen gesetzt. Der geneigte Leser muß erfahren, woher dies Erstaunen rührte, und es ist an der Zeit, von Johannes Wachts ganzem Innern und Äußern mehr zu sagen.
Johannes war, was Antlitz und ganze Gestalt betrifft, ein ausgezeichnet schöner Jüngling zu nennen, und doch erhielten diese edlen Züge, dieser majestätische Wuchs erst im männlicheren Alter die volle Bedeutung. Ästhetische Kapitulare nannten den Johannes einen alten Römerkopf, ein jüngerer Domizellar, der auch im strengsten Winter ganz schwarz in Seide einherzugehen pflegte und der Schillers »Fiesco« bereits gelesen, versicherte dagegen, Johannes Wacht sei der leibhaftige Verrina.
Nicht Schönheit und Anmut der äußern Gestalt übt aber jenen geheimnisvollen Zauber, vermöge dessen manche hochbegabte Menschen jeden, dem sie entgegentreten, auf der Stelle für sich einnehmen. Man fühlt in gewisser Art ihre Überlegenheit; aber dies Gefühl ist keinesweges, wie man denken sollte, lästig, sondern erregt, indem es den Geist erhebt, ein gewisses Behagen, das dem ganzen Innern unendlich wohl tut. Die vollkommenste Harmonie verbindet alle Teile des physischen und psychischen Organismus zum Ganzen, so daß die Erscheinung, wie ein reiner Akkord, keinen Mißklang duldet. Diese Harmonie schafft jenen unnachahmlichen Anstand, jenes – man möchte sagen – Bequeme in der kleinsten Bewegung, worin sich das Bewußtsein der wahrhaften menschlichen Würde kundtut. Diesen Anstand lehrt kein Tanzmeister und kein Prinzenhofmeister, und er dürfte wohl deshalb recht eigentlich der vornehme Anstand sein, weil ihn die Natur selbst als solchen gestempelt. Es ist hier nur noch hinzuzufügen, daß Meister Wacht, unerschütterlich in Edelmut, Treue und Bürgersinn, mit jedem Jahre mehr ein Mann des Volks wurde. Er trug alle Tugenden, aber auch jene unbesiegbaren Vorurteile in sich, die gewöhnlich die Schattenseite solcher Männer zu sein pflegen. Der geneigte Leser wird bald erfahren, worin diese Vorurteile bestanden. –
Erklärt möchte nun auch hinlänglich sein, warum des Jünglings Erscheinung auf den würdigen Fürstbischof solch einen ungewöhnlichen Eindruck machte. Lange betrachtete er den jungen stattlichen Handwerksmann schweigend mit sichtbarem Wohlgefallen, dann fragte er ihn über sein ganzes bisheriges Leben aus. Johannes antwortete auf alles freimütig und bescheiden und setzte zuletzt dem Fürsten mit überzeugender Klarheit auseinander, wie des Baumeisters Maschine vielleicht zu andern Zwecken tauglich, die beabsichtigte Wirkung aber niemals hätte hervorbringen können.
Auf die Äußerung des Fürsten, ob Wacht sich wohl getraue, selbst eine zweckmäßigere Maschine anzugeben, die die Lasten emporbringe, erwiderte dieser, daß er, um eine solche Maschine herzustellen, nur eines Tages unter Hilfe seines Kameraden Engelbrechts und einiger geschickter und williger Handlanger bedürfe.
Man kann denken, mit welcher boshaften Schadenfreude im Innern der Baumeister und was ihm anhängig den Morgen kaum erwarten konnten, an dem der vorlaute Fremde mit Schande und Spott nach Hause geschickt werden würde. Es kam aber anders, als wie es diese gutherzigen Leute gedacht und auch wohl gewünscht hatten.
Drei zweckmäßig angebrachte, in der Wirkung ineinandergreifende Erdwinden, jede nur mit acht Arbeitern bemannt, hoben die schweren Balken so leicht bis zur schwindelnden Höhe des Daches, daß diese in den Lüften zu tanzen schienen. Seit diesem Augenblick war des braven geschickten Handwerksmanns Ruf in Bamberg begründet. Der Fürst drang in ihn, in Bamberg zu bleiben und das Meisterrecht zu erlangen, wozu er ihm selbst allen nur möglichen Vorschub leisten wolle. Wacht war zweifelhaft, unerachtet es ihm in
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