Werke
die Macht des Himmels nach ihrem unerforschlichen Ratschluß diese harte Prüfung, so gab sie ihm auch die Kraft, sie zu überstehen, und jeder irdische Trost würde ihn nur verletzen. Ich weiß, auf welche Weise er sich hinausarbeitet aus seinem tiefen Schmerz.« –
Letzteres sprach Engelbrecht mit beinahe schlauer Miene, ohne sich weiter darüber auslassen zu wollen, was er damit meine. Die Leute mußten zufrieden sein und den unglücklichen Wacht in Ruhe lassen.
Acht Tage waren vergangen; am neunten, und zwar an einem heitern Sommermorgen, früh um fünf Uhr trat Meister Wacht ganz unvermutet hinaus in den Werkhof unter die Gesellen, die in voller Arbeit. Die Äxte, die Sägen sanken ihnen nieder, und halb wehmütig riefen sie: »Meister Wacht, unser guter Meister Wacht!« –
Mit heiterm Antlitz, auf dem die Spuren des überstandenen Grams den Ausdruck inniger Gutmütigkeit bis zum rührendsten Charakter erhöhten, trat er unter seine Getreuen und verkündigte, wie der gütige Himmel den Geist der Gnade und des Trostes auf ihn herabgesandt, und wie er nun, gestärkt mit Mut und Kraft, seinen Beruf erfüllen werde. Er begab sich nach dem Gebäude, das in der Mitte des Hofes zum Aufbewahren des Handwerkszeugs, zum Aufzeichnen der Werke u.s. bestimmt war.
Engelbrecht, die Gesellen, die Lehrburschen folgten ihm wie im Zuge; als er eintrat, blieb er fast eingewurzelt stehen.
Man hatte im Schutt des abgebrannten Hauses die Axt des armen Johannes, welche an ganz entscheidenden Zeichen kennbar, mit halbverbranntem Stiel, vorgefunden. Diese war von seinen Kameraden hoch an der der Türe gegenüberstehenden Wand befestigt und rundumher mit ziemlich roher Kunst ein Kranz von Rosen und Zypressen gemalt worden. Unter dem Kranz hatten sie aber Namen, Geburtsjahr ihres geliebten Kameraden, sowie das Datum der unglückseligen Nacht seines gewaltsamen Todes gesetzt.
»Armer Hans,« rief Meister Wacht, als er dies rührende Monument wahrhaft treuer Gemüter erblickte, und ein Tränenstrom stürzte ihm aus den Augen, »armer Hans, zum letzten Male erhobst du jenes Werkzeug zum Wohl deiner Brüder, aber du ruhst im Grabe, und nimmer wirst du mehr an meiner Seite in wackerer Tätigkeit tüchtige Werke fördern helfen!« –
Damit ging Meister Wacht die Reihe umher, schüttelte jedem Gesellen, jedem Lehrburschen treuherzig die Hand und sprach: »Denkt an ihn!« – Alles ging nun wieder an die Arbeit, nur Engelbrecht mußte bei Wacht zurückbleiben.
»Sieh nur, mein alter Kamerad,« sprach Wacht, »welchen wunderbaren Weg die ewige Macht gewählt hat, um mich mein großes Leid überstehen zu lassen. In den Tagen, als mich der Gram über Weib und Kind, das ich auf solch entsetzliche Weise verloren, ganz und gar zermalmen wollte, gab mir der Geist den Gedanken eines besonders künstlichen und zusammengesetzten Hängewerks ein, über welches ich schon lange gegrübelt, das mir aber nie ins klare kommen wollte. Schau’ her!« –
Damit rollte Meister Wacht die Zeichnung auf, an der er die Tage über gearbeitet hatte, und Engelbrecht erstaunte ebensosehr über die Kühnheit und Originalität der Erfindung als über die ausnehmende Sauberkeit der vollendeten Arbeit. So künstlich, so sinnig war die Mechanik des Werkes angelegt, daß selbst der vielerfahrene Engelbrecht sich nicht gleich darin finden konnte, desto mehr aber in freudige Verwunderung ausbrach, als, nachdem ihm Meister Wacht das kleinste Detail des ganzen Baues erklärt, er sich von der Unfehlbarkeit des Gelingens in der Ausführung überzeugen mußte. –
Wachts ganze Familie bestand jetzt nur noch aus zwei Töchtern, doch sollte dieser Hausstand gar bald vermehrt werden.
So arbeitsam, so geschickt auch Meister Engelbrecht sein mochte, doch gelang es ihm nicht, die niedrigste Stufe der Wohlhabenheit zu erlangen, welche gleich in der ersten Zeit Wachts Unternehmungen krönte. Der ärgste Feind des Lebens, gegen den keine menschliche Kraft etwas vermag, lehnte sich gegen ihn auf, um ihn zu verderben, und verdarb ihn wirklich; nämlich Siechheit des Körpers. Er starb und hinterließ die Frau mit zwei Knaben in beinahe dürftigen Umständen; die Frau begab sich in ihre Heimat, und Meister Wacht hätte gern beide Söhne in sein Haus genommen, dies war aber nur mit dem ältesten, Sebastian geheißen, tunlich. Dieser war ein kräftiger kluger Junge, der, zum Handwerk des Vaters geneigt, ein tüchtiger Zimmermann zu werden versprach. Eine gewisse Störrigkeit des
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