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Werke

Werke

Titel: Werke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: E.T.A. Hoffmann
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schönen Natur genossen, sein ganzes Labsal. Man kann denken, mit welchen Blicken Rettelchen den unglückseligen Kastner ansah. Und doch sollte noch das Ärgste geschehen. Es wurden bayersche Dampfnudeln aufgetragen, die, hoch – hoch angeschwollen, das Meisterstück der Tafel schienen; der frugale Herr Kastner nahm sein Messer und zerschnitt die Nudel, die ihm zuteil worden, mit der ruhigsten Gleichgültigkeit in viele Stücken. Rettel stürzte mit einem lauten Jammergeschrei zur Türe hinaus.
    Der mit der Behandlung bayerscher Dampfnudeln unbekannte Leser mag erfahren, daß sie beim Genuß geschickt zerrissen werden müssen, da sie zerschnitten allen Geschmack verlieren und die Ehre der Köchin zuschande machen.
    Rettel hielt von dem Augenblicke an den frugalen Herrn Kastner für den abscheulichsten Menschen unter der Sonne; Meister Wacht widersprach ihr keinesweges, und der wilde Bilderstürmer im Gebiete der Kochkunst hatte die Braut auf immer verloren.
    Hat der kleinen Rettel buntes Bild beinahe zu viele Worte gekostet, so werden dem geneigten Leser ein paar Züge hinreichen, sich Antlitz, Gestalt, ganzes Wesen der holden anmutigen Nanni ganz vor Augen zu bringen.
    Im südlichen Deutschland, vorzüglich in Franken, und zwar beinahe nur ausschließlich in der Bürgerklasse, trifft man solche feine, zierliche Gestalten, solche liebliche fromme Engelsgesichtlein, süße Sehnsucht des Himmels in den blauen Augen, des Himmels Lächeln auf den Rosenlippen, daß man wohl gewahrt, wie die alten Maler die Originale zu ihren Madonnen nicht weit suchen durften. So ganz diese Gestalt, dies Antlitz, dies Wesen war die Erlanger Jungfrau, welche Meister Wacht freite, und Nanni ihr treustes Ebenbild.
    Die Mutter war rücksichts der zartesten Weiblichkeit, rücksichts der wohltuenden Bildung, die nichts ist als der richtige Takt des Lebens, ganz das, was den Meister Wacht als Mann charakterisierte.
    Weniger ernst und fest als die Mutter mochte die Tochter sein, dafür aber die Lieblichkeit selbst, und man hätte ihr nur vorwerfen können, daß ihr weibliches Zartgefühl, eine Empfindsamkeit, die einer verschwächten Organisation zuzuschreiben und sich daher leicht bis zur weinerlichen Empfindelei steigerte, sie fürs Leben zu verletzbar machte.
    Meister Wacht konnte das liebe Kind nicht ohne Rührung ansehen und liebte es auf eine Weise, die sonst einem starken Gemüte eben nicht eigen.
    Es konnte sein, daß Meister Wacht die zarte Nanni von Hause aus ein wenig verzärtelte; wodurch aber jene oft in süßliche Empfindelei ausartende Zartheit ganz besonders Stoff und Nahrung erhielt, wird sich sehr bald zeigen.
    Nanni kleidete sich gern höchst einfach, jedoch in die feinsten Zeuge und nach einem Schnitt, der über die Sphäre ihres Standes hinausging. Wacht ließ sie gewähren, da, so gekleidet, das holde Kind gar zu hübsch und anmutig aussah.
    Ganz geschwinde muß hier ein Bild vertilgt werden, das dem Leser aufgehn könnte, der vor langen Jahren in Bamberg war, und der an den abscheulichen geschmacklosen Kopfputz denkt, der damals die hübschesten Gesichter der Mädchen entstellte. Eine glatte an den Kopf schließende Haube, die nicht das kleinste Löckchen zum Vorschein kommen ließ – ein schwarzes, nicht zu breites, an die Stirne fest schließendes Band, das hinten tief in den Nacken mit einer höchst servilen Schleife zusammenfuhr.
    Später wurde dieses Band breiter und breiter, bis es die unbillige Breite von beinahe einer halben Elle erreichte, deshalb besonders in der Fabrik bestellt werden mußte und, mit hartem Karton gefüttert, wie eine Turmhaube emporstieg. Eine Schleife, die vermöge ihrer weit über die Achseln ragenden Breite den ausgespannten Flügeln eines Adlers glich, saß gerade über dem Nackengrübchen. An den Schläfen und bei den Ohren schlängelten sich kleine Löckchen hervor, und mancher kecken Bamberger Inkroyable stand diese Tracht seltsam und anmutig genug.
    Einen sehr pittoresken Anblick gab es, wenn man von hinten einen Leichenzug erblickte, der sich eben in Bewegung setzte. Es ist Sitte in Bamberg, daß die Bürger zur Leichenfolge eines Verstorbenen durch die sogenannte Totenfrau eingeladen werden, die ihre Einladung mit kreischender Stimme im Namen des Verstorbenen, wie z.B. »der Herr u.s.w., die Frau u.s.w. läßt sich die letzte Ehre ausbitten«, auf der Straße vor dem Hause eines jeden abschreit. Die Frau Basen und die jungen Madels, die sonst wenig ins Freie kommen, unterlassen es

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