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Werke

Werke

Titel: Werke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: E.T.A. Hoffmann
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Beamten des Gerichts fand sich in einem bisher nicht beachteten nußbaumen Schrank ein altes Portefeuille, worin zwar nicht der gerichtliche Empfangschein über die Niederlegung des Testaments, wohl aber ein Papier befindlich, was dem jungen Advokaten im höchsten Grade wichtig sein mußte.
    Dieses Papier enthielt nämlich die genaue Beschreibung aller Umstände bis ins kleinste Detail, unter denen der Graf zugunsten seiner Gemahlin ein Testament errichtet und einem Gerichtshofe übergeben hatte. Die diplomatische Reise von Paris nach Petersburg brachte den Grafen nach Königsberg in Preußen. Hier fand er zufällig einige ostpreußische Edelleute, die er früher auf einer Reise in Italien getroffen. Der Eilfertigkeit, womit der Graf reisen wollte, unerachtet, ließ er sich doch bereden, eine kleine Streiferei in Ostpreußen zu unternehmen, vorzüglich da die reichen Jagden aufgegangen und der Graf ein passionierter Jäger. Er nannte die Städte Wehlau, Allenburg, Friedland u.s.w., wo er gewesen. Unmittelbar wollte er nun, ohne nach Königsberg zurückzukehren, vorwärts nach der russischen Grenze.
    In einem kleinen Städtchen, dessen Ansehn der Graf nicht erbärmlich genug beschreiben konnte, verfiel er aber plötzlich in die Nervenkrankheit, die ihm mehrere Tage hindurch alle Sinne raubte. Zum Glück befand sich am Orte ein junger, recht geschickter Arzt, der dem Übel kräftigen Widerstand leistete, so daß der Graf nicht allein zu sich kam, sondern auch imstande war, in wenigen Tagen seine Reise fortzusetzen. Schwer fiel es ihm aber aufs Herz, daß ein zweiter Anfall ihn auf der Reise töten und seine Gemahlin in die tiefste Armut versetzen könne. Er erfuhr von dem Arzt zu seinem nicht geringen Erstaunen, daß der Ort, seiner Kleinheit und seines erbärmlichen Ansehens unerachtet, doch der Sitz eines preußischen Landeskollegii sei, und daß er mit aller Förmlichkeit sein Testament dort deponieren könne, sobald es ihm nur gelänge, die Identität seiner Person nachzuweisen. Dies war aber der harte Punkt. Denn wer kannte den Grafen in dieser Gegend?
    Doch wie wunderbar ist das Spiel des Zufalls! Gerade als der Graf in dem Städtchen aus dem Wagen stieg, stand ein alter invalider Greis von beinahe achtzig Jahren, der auf einem benachbarten Dorfe wohnte, sich vom Korbflechten nährte und nur selten nach der Stadt zu kommen pflegte, in der Türe des Wirtshauses. Dieser hatte in seiner Jugend in der österreichischen Armee gedient und war funfzehn Jahr hindurch Reitknecht bei dem Vater des Grafen gewesen. Auf den ersten Blick erinnerte er sich des Sohnes seines Herrn, und er und sein Weib wurden die völlig unverdächtigen Rekognoszenten des Grafen, wie man denken kann, nicht zu ihrem Schaden. Der junge Advokat sah sogleich ein, daß, um Näheres auszumitteln, es hier nur allein auf die Lokalität und deren genaue Vergleichung mit den Notizen des Grafen ankomme, um die nähere Spur, wo der Graf krank geworden sei und testiert habe, zu ermitteln.
    Er reiste mit der Gräfin nach Ostpreußen; hier wollte er, womöglich, durch Einsicht der Postbücher die Reiseroute ausmitteln, die der Graf damals genommen. Doch nach vielem vergeblichen Mühen brachte er nur heraus, daß der Graf Postpferde von Eylau nach Allenburg genommen. Hinter Allenburg verlor sich jede Spur, jedoch war so viel gewiß, daß der Graf seine Tour nach Rußland durch das preußische Litauen genommen, und zwar um so mehr, als in Tilsit des Grafen Ankunft und Abreise mit Extrapost wieder eingetragen war. Von hier aus verlor sich aufs neue jede Spur. Auf dem kleinen Wege von Allenburg nach Tilsit schien indessen dem jungen Advokaten, daß man die Lösung des Rätsels suchen müsse. Ganz mißmütig und voller Sorgen traf er einst an einem regnichten Abend mit der Gräfin in dem kleinen Landstädtchen Insterburg ein. Von seltsamen Ahnungen fühlte er sich befangen, als er in die elenden Zimmer des Wirtshauses trat. Es kam ihm so heimisch darin vor, als wenn er schon selbst dagewesen, oder als wenn ihm der Aufenthalt auf das genaueste geschildert worden. Die Gräfin begab sich nach ihrem Schlafgemach; der junge Advokat wälzte sich unruhig auf dem Lager. Als die Morgensonne hell ins Zimmer schien, fiel sein Blick auf die Tapete in einer Ecke des Zimmers. Er gewahrte, daß von einem großen Fleck die blaue Farbe, womit das Zimmer nun übertüncht, abgesprungen und die widerwärtige hochgelbe Grundfarbe zum Vorschein gekommen, worauf allerlei scheußliche

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