Werke
länger tragen, es stößt mir das Herz ab, Euch so leiden zu sehen! Jungfer Nanni! der arme Herr Jonathan!«
Da warf Meister Wacht schnell das Schnürbündel fort, trat auf ihn zu, packte ihn bei der Brust und rief: »Mensch, vermagst du aus diesem Herzen die Überzeugung, was wahr und recht, wie sie die ewige Macht mit Flammenzügen hineingezeichnet hat, herauszureißen, so mag das geschehn, dessen du gedenkest!«
Andres, der nicht der Mann war, sich mit seinem Meister auf Kontestationen der Art einzulassen, kratzte sich hinter den Ohren und meinte verlegen schmunzelnd: »So würde wohl auch ein gewisser Morgenbesuch eines vornehmen Herren auf der Werkstatt von keiner sonderlichen Wirkung sein.« Meister Wacht merkte den Augenblick, daß es auf einen Sturm gegen ihn abgesehen sei, den höchst wahrscheinlich der Graf von Kösel dirigieren werde.
Mit dem Glockenschlage neun Uhr kam Nanni, der die alte Barbara mit dem Frühstück folgte, auf die Werkstatt. Es war dem Meister unangenehm, daß Nanni kam, da dies außer der Regel und die verabredete Karte schon jetzt hervorguckte.
Nicht lange dauerte es, so erschien denn auch wirklich der Domizellar, gestriegelt und geschniegelt wie ein Püppchen; ihm folgte auf dem Fuß der Lackierer und Vergolder, Monsieur Pickard Leberfink, in allerlei bunte Farben gekleidet und einem Frühlingskäfer nicht unähnlich. Wacht tat hoch erfreut über den Besuch, dem er sogleich die Ursache unterschob, daß der Herr Domizellar wahrscheinlich seine neuesten Modelle sehen wolle.
Meister Wacht trug in der Tat große Scheu, die weitläuftigen Sermonen zu hören, in die sich der Domizellar nutzlos ergießen würde, um rücksichts Nannis und Jonathans seinen Entschluß zum Wanken zu bringen. Der Zufall rettete ihn, indem er wollte, daß in dem Augenblick, als der Domizellar, der junge Advokat und der Lackierer nebeneinander standen und der Domizellar schon mit den zierlichsten Worten die süßesten Verhältnisse des Lebens berührte, der dicke Hans rief: »Holz her!« der große Peter auf der andern Seite aber so derb zuschob, daß der Domizellar, heftig an der Schulter berührt, auf den Monsieur Pickard stürzte; dieser prallte aber auf den jungen Advokaten, und im Nu waren alle drei verschwunden. Hinter ihnen befand sich nämlich ein hoch aufgetürmter Haufen von Holzsplittern, Sägespänen u.a.
In diesen Haufen waren die Unglücklichen begraben, so, daß man von ihnen nichts erblickte, als vier schwarze und zwei chamoisfarbene Füße; letztere waren aber die Galastrümpfe des Herrn Lackierer und Vergolder Pickard Leberfink. Es konnte nicht anders möglich sein, die Gesellen und Burschen brachen in ein schallendes Gelächter aus, unerachtet Meister Wacht Ernst und Ruhe gebot.
Am schrecklichsten sah der Domizellar aus, dem die Sägespäne in alle Falten des Kleides und sogar auch in die Locken der zierlichen Frisur gedrungen waren; er floh beschämt wie auf den Flügeln des Windes, und ihm folgte der junge Advokat auf dem Fuße; nur Monsieur Pickard Leberfink blieb froh und freundlich, unerachtet es für gewiß anzunehmen, daß die chamois Strümpfe nicht mehr brauchbar, da besonders feindliche Späne die Pracht der Zwickel gänzlich vernichtet. So hatte ein lächerlicher Vorfall den Sturm, der auf Wacht gewagt werden sollte, vereitelt.
Der Meister hatte keine Ahnung, wie noch heute ihn Entsetzliches treffen würde.
Meister Wacht hatte abgegessen und stieg soeben die Treppe herab, um sich nach dem Werkhofe zu begeben; da hörte er vor dem Hause eine brutale Stimme rufen: »Heda! wohnt der alte spitzbübische Kerl, der Zimmermann Wacht, nicht hier?« Eine Stimme von der Straße antwortete: »Ein alter spitzbübischer Kerl wohnt nicht hier, wohl ist dies aber das Haus des ehrsamen Bürgers und Zimmermeisters, Herrn Johannes Wacht.«
In dem Augenblick wurde mit einem starken Schlage die Haustür eingestoßen, und ein großer starker Kerl von wildem Ansehn stand vor dem Meister. Die schwarzen Haare spießten sich durch die durchlöcherte Soldatenmütze, und überall konnte der zerlumpte Kittel den nackten, von Schmutz und Witterung ekelhaften Körper nicht verbergen; an den Füßen trug der Kerl Soldatenschuhe und die blauen Striemen an den Knöcheln zeigten die Spur getragener Ketten.
»Hoho!« rief der Kerl, »Ihr kennt mich wohl nicht mehr? Ihr kennt wohl nicht mehr den Sebastian Engelbrecht, den Ihr um sein Erbe betrogen?« Meister Wacht trat dem Kerl mit aller imponierenden
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