Werke
Gesichter als anmutige Arabesken im neuseeländischen Geschmack angebracht waren.
Ganz außer sich vor Freude und Entzücken sprang der junge Advokat aus dem Bette; er befand sich in dem Zimmer, in welchem Graf Z... das verhängnisvolle Testament gemacht hatte. Die Schilderung traf zu genau ein; es war nicht daran zu zweifeln.
Was nun noch den Leser mit all den Kleinigkeiten ermüden, die nach und nach eintrafen! Genug, Insterburg war wie noch jetzt der Sitz eines preußischen Obergerichts, damals Hofgericht geheißen. Der junge Advokat begab sich sofort mit der Gräfin zu dem Präsidenten; durch die mitgebrachten, in der authentischen Form ausgefertigten Papiere wurde die Legitimation der Gräfin auf das vollständigste geführt, die Publikation des Testaments als unzweifelhaft vorgenommen, und die Gräfin, welche trostlos in großer Dürftigkeit ihr Vaterland verlassen, kehrte wieder, im Besitz aller Rechte, die ein feindliches Geschick ihr hatte rauben wollen.
Der Nanni erschien der Advokat wie ein himmlischer Heros, der die verlassene Unschuld gegen die Bosheit der Welt siegreich geschützt. Auch Leberfink ergoß sich in übertriebenen Lobeserhebungen, den Scharfsinn und die Tätigkeit des jungen Advokaten hoch bewundernd. Meister Wacht rühmte ebenfalls nicht ohne Nachdruck Jonathans Betriebsamkeit, wiewohl er eigentlich nichts als seine Schuldigkeit getan und es ihm – dem Meister Wacht – bedünken wolle, daß alles auf viel kürzerem Wege zu erlangen gewesen sein würde.
»Diese Angelegenheit«, sprach Jonathan, »halte ich für einen wahren Glücksstern, der mir in meiner kaum begonnenen Laufbahn aufgegangen.
Die Sache hat viel Aufsehen erregt. Alle ungarische Magnaten waren in Bewegung. Mein Name ist bekannt geworden, und was nicht das Schlimmste dabei ist, die Gräfin war liberal genug, mir zehntausend Stück Brabanter Taler zu verehren.«
Schon während der ganzen Erzählung des jungen Advokaten hatte auf Meister Wachts Gesicht ein seltsames Muskelspiel begonnen, das sich bis zum Ausdruck des tiefsten Verdrusses steigerte.
»Was,« fuhr er endlich mit Flammenblicken und mit einer Löwenstimme heraus, »was, hab’ ich’s nicht gesagt, das Recht hast du verkauft; dafür, daß die Gräfin ihr rechtmäßiges Erbe von den betrügerischen Verwandten herausbekam, mußte sie Geld zahlen, mußte sie dem Mammon opfern. Pfui, pfui, schäme dich!«
Alle vernünftige Vorstellungen des jungen Advokaten sowie der übrigen Personen, die gerade anwesend waren fruchteten auch nicht das allermindeste. Meister Wacht blieb [dabei], unerachtet eine Sekunde hindurch die Vorstellung Platz zu greifen schien, daß wohl nie eine Person mit freudigerem Gemüte ein Geschenk gegeben als die Gräfin bei der plötzlichen Entscheidung ihres Falles, und daß, wie Leberfinkchen auch genau wissen wollte, nur der junge Advokat selbst daran schuld war, daß das Honorar nicht viel stärker und nicht mehr dem Gewinn gemäß ausgefallen; doch sogleich kehrten die alten starrsinnigen Worte zurück: »Sobald von Recht die Rede ist, gibt es kein Geld auf der Erde.«
»Es ist wahr,« fuhr Wacht nach einer Weile beruhigter fort, »bei dieser Geschichte kommen manche Umstände vor, die dich wohl entschuldigen können und zum schnöden Eigennutz verleiten konnten, doch tue mir den Gefallen und halt das Maul von der Gräfin, dem Testament, den zehntausend Talern; es könnte mir manchmal bedünken wollen, daß du an den Platz dort, den du an meinem Tische einnimmst, nicht hingehörtest.«
»Ihr seid sehr hart, sehr ungerecht gegen mich, Vater,« sprach der junge Advokat mit vor Wehmut bebender Stimme. Nanni vergoß stille Tränen; Leberfink, als ein gewandter sozialer Mann, brachte schnell das Gespräch auf die neuen Vergoldungen zu St. Gangolf.
Man kann sich das gespannte Verhältnis wohl denken, in dem jetzt die Familie Wacht lebte. Wo war die Freiheit des Gesprächs, wo aller frische Lebensmut, wo aller muntre Sinn? Ein tötender Verdruß nagte langsam an Wachts Herzen, und auf seinem Antlitz stand das geschrieben.
Von Sebastian Engelbrecht ging durchaus nicht die mindeste Nachricht ein, und so schien auch die letzte schwache Hoffnung, die dem Meister Wacht geschimmert, unterzugehen.
Meister Wachts Altgesell, Andres geheißen, war ein treuer, ehrlicher, schlichter Mensch, der ihm anhing mit einer Liebe ohnegleichen. »Meister,« sprach dieser eines Morgens, als sie eben miteinander Balken abschnürten, »Meister, ich kann’s nicht
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