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Werke

Werke

Titel: Werke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: E.T.A. Hoffmann
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dich, aber du hast mich nicht verstanden! Auf! nähere dich mir!« Der Mönch sprach alles dieses im dumpfen Ton der tiefen, herzzerschneidendsten Klage; sein Blick, mir sonst so fürchterlich, war sanft und milde worden, Mensch, du bist der Widersacher selbst, der mich weicher die Form seines Gesichts. Eine unbeschreibliche Wehmut durchbebte mein Innerstes; wie ein Gesandter der ewigen Macht, mich aufzurichten, mich zu trösten im endlosen Elend, erschien mir der sonst so schreckliche Maler. – Ich stand auf vom Lager, ich trat ihm nahe, es war kein Phantom, ich berührte sein Kleid; ich kniete unwillkürlich nieder, er legte die Hand auf mein Haupt, wie mich segnend. Da gingen in lichten Farben herrliche Gebilde in mir auf. – Ach! ich war in dem heiligen Walde! – ja, es war derselbe Platz, wo in früher Kindheit der fremdartig gekleidete Pilger mir den wunderbaren Knaben brachte. Ich wollte fortschreiten, ich wollte hinein in die Kirche, die ich dicht vor mir erblickte. Dort sollte ich (so war es mir) büßend und bereuend Ablaß erhalten von schwerer Sünde. Aber ich blieb regungslos – mein eignes Ich konnte ich nicht erschauen, nicht erfassen. Da sprach eine dumpfe, hohle Stimme: »Der Gedanke ist die Tat!« – Die Träume verschwebten; es war der Maler, der jene Worte gesprochen. »Unbegreifliches Wesen, warst du es denn selbst? an jenem unglücklichen Morgen in der Kapuzinerkirche zu B.? in der Reichsstadt, und nun?« – »Halt ein,« unterbrach mich der Maler, »ich war es, der überall dir nahe war, um dich zu retten von Verderben und Schmach, aber dein Sinn blieb verschlossen! Das Werk, zu dem du erkoren, mußt du vollbringen zu deinem eignen Heil.« – »Ach,« rief ich voll Verzweiflung, »warum hieltst du nicht meinen Arm zurück, als ich in verruchtem Frevel jenen Jüngling...« »Das war mir nicht vergönnt,« fiel der Maler ein, »frage nicht weiter! vermessen ist es, vorgreifen zu wollen dem, was die ewige Macht beschlossen... Medardus! du gehst deinem Ziel entgegen... morgen!« – Ich erbebte in eiskaltem Schauer, denn ich glaubte den Maler ganz zu verstehen. Er wußte und billigte den beschlossenen Selbstmord. Der Maler wankte mit leisem Tritt nach der Tür des Kerkers. »Wann, wann sehe ich dich wieder?« – »Am Ziele!« – rief er, sich noch einmal nach mir umwendend, feierlich und stark, daß das Gewölbe dröhnte – »Also morgen?« – Leise drehte sich die Türe in den Angeln, der Maler war verschwunden. –
    Sowie der helle Tag nur angebrochen, erschien der Kerkermeister mit seinen Knechten, die mir die Fesseln von den wunden Armen und Füßen ablösten. Ich solle bald zum Verhör hinaufgeführt werden, hieß es. Tief in mich gekehrt, mit dem Gedanken des nahen Todes vertraut, schritt ich hinauf in den Gerichtssaal; mein Bekenntnis hatte ich im Innern so geordnet, daß ich dem Richter eine kurze, aber den kleinsten Umstand mit aufgreifende Erzählung zu machen hoffte. Der Richter kam mir schnell entgegen, ich mußte höchst entstellt aussehen, denn bei meinem Anblick verzog sich schnell das freudige Lächeln, das erst auf seinem Gesicht schwebte, zur Miene des tiefsten Mitleids. Er faßte meine beiden Hände und schob mich sanft in seinen Lehnstuhl. Dann mich starr anschauend, sagte er langsam und feierlich: »Herr von Krczynski! ich habe Ihnen Frohes zu verkünden! Sie sind frei! Die Untersuchung ist auf Befehl des Fürsten niedergeschlagen worden. Man hat Sie mit einer andern Person verwechselt, woran Ihre ganz unglaubliche Ähnlichkeit mit dieser Person schuld ist. Klar, ganz klar ist Ihre Schuldlosigkeit dargetan! ... Sie sind frei!« – Es schwirrte und sauste und drehte sich alles um mich her. – Des Richters Gestalt blinkte, hundertfach vervielfältigt, durch den düstern Nebel, alles schwand in dicker Finsternis. – Ich fühlte endlich, daß man mir die Stirne mit starkem Wasser rieb, und erholte mich aus dem ohnmachtähnlichen Zustande, in den ich versunken. Der Richter las mir ein kurzes Protokoll vor, welches sagte, daß er mir die Niederschlagung des Prozesses bekannt gemacht und meine Entlassung aus dem Kerker bewirkt habe. Ich unterschrieb schweigend, keines Wortes war ich mächtig. Ein unbeschreibliches, mich im Innersten vernichtendes Gefühl ließ keine Freude aufkommen. Sowie mich der Richter mit recht in das Herz dringender Gutmütigkeit anblickte, war es mir, als müsse ich nun, da man an meine Unschuld glaubte und mich freilassen wollte, allen verruchten

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