Werke von Fjodor Dostojewski (Illustrierte) (German Edition)
ich mich darüber wundere, daß hier niemand diesen Usurpator eines fremden Namens, diesen Schurken entlarvt.«
»Wa–a–as?«
»Diesen Schurken, Andrei Filippowitsch.«
»Wen belieben Sie denn mit diesem Titel zu bezeichnen?«
»Ich meine eine gewisse Person, Andrei Filippowitsch. Ich ziele damit auf eine gewisse Person, Andrei Filippowitsch; ich bin im Rechte ... Ich meine, Andrei Filippowitsch, die vorgesetzte Behörde sollte derartige Bestrebungen ermuntern,« fügte Herr Goljadkin, der offenbar von sich selbst nichts mehr wußte, hinzu. »Andrei Filippowitsch ... aber Sie sehen wahrscheinlich selbst, Andrei Filippowitsch, daß dies eine wohlanständige Bestrebung ist, und daß sich darin meine in verschiedener Hinsicht löbliche Absicht bekundet, den Chef als meinen Vater zu betrachten, Andrei Filippowitsch ... ich betrachte die edeldenkende vorgesetzte Behörde als meinen Vater und vertraue ihr blind mein Schicksal an. So und so ... Sie sehen, wie ...« Hier begann Herrn Goljadkins Stimme zu zittern, sein Gesicht rötete sich, und zwei Tränen traten auf seine Wimpern.
Als Andrei Filippowitsch Herrn Goljadkin so reden hörte, erstaunte er dermaßen, daß er unwillkürlich ein paar Schritte zurücktrat. Dann blickte er unruhig um sich ... Es ist schwer zu sagen, wie die Sache geendet hätte ... Aber plötzlich öffnete sich die Tür, die zum Arbeitszimmer des Chefs führte, und dieser selbst kam in Begleitung mehrerer Beamten heraus. Alle, die im Zimmer waren, schlossen sich an und gingen hinter ihm her. Seine Exzellenz rief Andrei Filippowitsch heran, ließ ihn neben sich gehen und unterredete sich mit ihm über irgendwelche Gegenstände. Als sich alle in Bewegung gesetzt und das Zimmer verlassen hatten, kam auch Herr Goljadkin wieder zur Besinnung. Demütig suchte er Schutz unter den Fittichen seines Tischvorstehers Anton Antonowitsch Sjetotschkin, der hinter allen herschlich und, wie es Herrn Goljadkin schien, eine sehr ernste, sorgenvolle Miene machte. »Auch hier habe ich töricht geredet; auch hier habe ich meiner Sache geschadet,« dachte er bei sich; »nun aber, es macht nichts.« Dann sagte er zu dem Tischvorsteher leise mit einer Stimme, die vor Aufregung noch ein wenig zitterte: »Ich hoffe, daß wenigstens Sie, Anton Antonowitsch, sich werden bereitfinden lassen, mir Gehör zu schenken und von meiner Lage Kenntnis zu nehmen. Von allen zurückgewiesen, wende ich mich an Sie. Ich bin bis jetzt noch im unklaren darüber, was Andrei Filippowitschs Worte bedeuteten, Anton Antonowitsch. Erklären Sie sie mir, wenn es möglich ist ...«
»Es wird alles zur rechten Zeit klar werden,« erwiderte Anton Antonowitsch nach einer Pause in ernstem Tone und, wie es Herrn Goljadkin schien, mit einer Miene, die deutlich zu verstehen gab, daß Anton Antonowitsch überhaupt nicht wünschte, das Gespräch fortzusetzen. »Sie werden in kurzer Zeit alles erfahren. Noch heute werden Sie formell von allem unterrichtet werden.«
»Was meinen Sie denn mit 'formell', Anton Antonowitsch? Warum denn gerade formell?« fragte unser Held schüchtern.
»Es steht uns beiden nicht zu, über das zu urteilen, Jakow Petrowitsch, was die Behörde für gut findet.«
»Warum denn die Behörde, Anton Antonowitsch?« fragte Herr Goljadkin, der noch zaghafter geworden war, »warum denn die Behörde? Ich sehe keine Ursache, weshalb die Behörde damit belästigt werden sollte, Anton Antonowitsch ... Sie wollen mir vielleicht etwas über das gestrige Vorkommnis sagen, Anton Antonowitsch?«
»Nein, um das gestrige Vorkommnis handelt es sich nicht; aber es ist sonst noch dies und das bei Ihnen nicht in Ordnung.« »Was ist denn bei mir nicht in Ordnung, Anton Antonowitsch? Mir scheint, Anton Antonowitsch, daß bei mir alles in Ordnung ist.«
»Aber warum wollten Sie denn schlaue Pfiffe und Kniffe zur Anwendung bringen?« unterbrach Anton Antonowitsch scharf den ganz bestürzten Herrn Goljadkin. Dieser fuhr zusammen und wurde bleich wie Leinewand.
»Freilich, Anton Antonowitsch,« sagte er mit kaum vernehmbarer Stimme, »wenn man die Stimme der Verleumdung beachtet und auf unsere Feinde hört, ohne eine Rechtfertigung von der anderen Seite anzunehmen, dann muß unsereiner leiden, Anton Antonowitsch, schuldlos, und ohne etwas begangen zu haben, leiden.«
»Hm, hm; und Ihr unwürdiges Benehmen, durch das Sie dem Rufe eines anständigen Mädchens, der Tochter jener wohlbekannten, humanen, hochgeachteten Familie, geschadet haben, einer
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