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Werke von Fjodor Dostojewski (Illustrierte) (German Edition)

Werke von Fjodor Dostojewski (Illustrierte) (German Edition)

Titel: Werke von Fjodor Dostojewski (Illustrierte) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fjodor Dostojewski
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wurde, fortzujagen, weil er sich vor sich selbst und vor seinem Jähzorn fürchtete. Aber um keinen Preis hätte er gegen einen „Künstler“ streng verfahren mögen, wie er seine Musiker nannte.
    Der Handel kam nicht zustande, und die Sache schien damit zu Ende zu sein, als plötzlich, ungefähr einen Monat nachher, der gräfliche Geiger eine schreckliche Geschichte anrührte: mit seiner Namensunterschrift reichte er gegen meinen Stiefvater eine Anzeige ein, in der er behauptete, daß dieser an dem Tode des Italieners schuld sei und ihn in gewinnsüchtiger Absicht umgebracht habe: nämlich um in den Besitz der reichen Erbschaft zu gelangen. Er behauptete, das Testament sei dem Italiener listig abgenötigt worden, und machte sich anheischig, Zeugen für seine Beschuldigung beizubringen. Weder die Bitten noch die Ermahnungen des Grafen und des Gutsbesitzers, der für meinen Stiefvater warm eintrat, vermochten den Angeber in seiner Absicht wankend zu machen. Sie stellten ihm vor, die ärztliche Untersuchung des Leichnams des Kapellmeisters sei ordnungsmäßig vorgenommen worden; der Angeber setze sich mit dem Augenschein in Widerspruch, vielleicht aus persönlichem Groll und Ärger, weil es ihm nicht gelungen sei, in den Besitz des wertvollen Instrumentes zu gelangen, das für ihn hätte gekauft werden sollen. Der Musiker blieb bei seiner Angabe, schwur, daß er die Wahrheit sage, behauptete, daß der Schlaganfall nicht von Trunkenheit, sondern von Vergiftung hergerührt habe, und forderte eine nochmalige Untersuchung. Auf den ersten Blick schien es, daß seine Behauptungen nicht von der Hand zu weisen seien. Natürlich ließ man der Sache ihren Gang. Jefimow wurde festgenommen und nach der Stadt in das Gefängnis geschickt. Es begann ein Prozeß, der das ganze Gouvernement interessierte. Er nahm einen sehr schnellen Verlauf und endete damit, daß der Musiker einer unwahren Denunziation schuldig befunden wurde. Er wurde zu der gesetzlichen Strafe verurteilt, blieb indessen bei seiner Behauptung, daß er die Wahrheit sage. Schließlich aber räumte er doch ein, daß er keinerlei Beweise habe, und daß er die von ihm vorgebrachten Behauptungen sich selbst ersonnen habe; er habe aber, als er sie ersann, sich von seinen Vermutungen und Kombinationen leiten lassen; denn bevor die zweite Untersuchung angestellt und Jefimows Unschuld formell erwiesen worden sei, sei er immer noch fest überzeugt gewesen, daß Jefimow die Ursache des Todes des unglücklichen Kapellmeisters sei, wenn er ihn auch vielleicht nicht mit Gift, sondern auf irgendeine andere Weise umgebracht habe. Aber das gegen ihn gefällte Urteil kam nicht zur Ausführung: er erkrankte plötzlich an Gehirnentzündung, verlor den Verstand und starb im Gefängnislazarett.
    Während dieses ganzen Prozesses benahm sich der Gutsbesitzer auf die edelste Weise. Er bemühte sich für meinen Stiefvater so, als ob dieser sein leiblicher Sohn wäre. Mehrere Male kam er zu ihm ins Gefängnis, um ihn zu trösten, schenkte ihm Geld, brachte ihm, da er gehört hatte, daß Jefimow gern rauche, die besten Zigarren, und als mein Stiefvater freigesprochen war, veranstaltete er ein Fest für das ganze Orchester. Er betrachtete Jefimows Sache als eine, die das ganze Orchester angehe, weil er auf die gute Aufführung seiner Musiker wenn nicht mehr, so doch mindestens ebensoviel Wert legte wie auf ihre Begabung. Es verging ein ganzes Jahr, als sich plötzlich in dem Gouvernement das Gerücht verbreitete, daß ein berühmter Geiger, ein Franzose, in der Gouvernementsstadt angekommen sei und auf der Durchreise einige Konzerte zu geben beabsichtige. Der Gutsbesitzer bemühte sich sogleich, den Franzosen zu einem Besuche auf seinem Gute zu überreden. Dies gelang ihm: der Franzose versprach zu kommen. Alles war schon zu seiner Abreise nach dem Gute bereit, und der Gutsbesitzer hatte den ganzen Kreis zu sich eingeladen, als plötzlich alles eine andere Wendung nahm.
    Eines Morgens wurde gemeldet, Jefimow sei verschwunden, man wisse nicht wohin. Es wurden Nachforschungen angestellt, aber keine Spur von ihm gefunden. Das Orchester befand sich in einer peinlichen Lage (die Klarinette fehlte!), als plötzlich, drei Tage nach Jefimows Verschwinden, der Gutsbesitzer von dem Franzosen einen Brief erhielt, in welchem dieser die Einladung hochmütig ablehnte und, allerdings nur in andeutenden Redewendungen, hinzufügte, er werde künftig außerordentlich vorsichtig sein in der Anknüpfung von

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