Werke von Fjodor Dostojewski (Illustrierte) (German Edition)
Beziehungen zu Herren, die sich ein eigenes Orchester hielten; es sei ein unästhetischer Anblick, ein wahres Talent unter der Leitung eines Mannes zu sehen, der es nicht zu schätzen verstehe; das Beispiel Jefimows, eines echten Künstlers und des besten Geigers, den er überhaupt in Rußland jemals getroffen habe, diene als hinreichender Beweis für die Richtigkeit des Gesagten.
Als der Gutsbesitzer diesen Brief gelesen hatte, war er im höchsten Grade darüber erstaunt. Er war in tiefster Seele beleidigt. Wie? Jefimow, dieser selbe Jefimow, für den er so freundlich gesorgt, dem er so viele Wohltaten erwiesen hatte, dieser Jefimow verleumdete ihn in einer so schonungslosen, gewissenlosen Weise bei einem ausländischen Künstler, einem Manne, auf dessen gute Meinung er den höchsten Wert legte! Und ferner war der Brief auch noch in einer andern Beziehung unverständlich: es hieß darin, Jefimow sei ein Künstler mit wirklichem Talente; er sei ein Geiger; aber man habe nicht verstanden, sein Talent zu erkennen, und ihn gezwungen, ein anderes Instrument zu spielen. Alles dies versetzte den Gutsbesitzer in solches Erstaunen, daß er sich sofort anschickte, zum Zwecke einer persönlichen Aussprache mit dem Franzosen nach der Stadt zu fahren, als er plötzlich ein Briefchen von dem Grafen erhielt, in welchem dieser ihn einlud, schleunigst zu ihm zu kommen, und ihm mitteilte, er kenne die ganze Angelegenheit; der fremde Virtuose sei jetzt bei ihm und mit diesem zusammen auch Jefimow; er habe den letzteren, erstaunt über seine Dreistigkeit und Verleumdung, festhalten lassen; die Anwesenheit des Gutsbesitzers sei auch schon deswegen erforderlich, weil Jefimows Beschuldigung sogar ihn, den Grafen, selbst betreffe; die Sache sei sehr wichtig und müsse möglichst bald aufgehellt werden.
Der Gutsbesitzer eilte unverzüglich zum Grafen hin, machte sogleich die Bekanntschaft des Franzosen und setzte diesem die ganze Geschichte meines Stiefvaters auseinander; er fügte hinzu, er habe keine Ahnung davon gehabt, daß Jefimow ein so gewaltiges Talent sei; Jefimow sei bei ihm im Gegenteile ein sehr schlechter Klarinettist gewesen, und er höre jetzt zum ersten Male, daß der Musiker, der ihn verlassen habe, ein Geiger sei. Des weiteren bemerkte er noch, Jefimow sei ein freier Mensch, der tun und lassen könne, was er wolle, und hätte ihn immer, zu jeder Zeit, verlassen können, wenn er sich wirklich bedrückt gefühlt hätte. Der Franzose war verwundert. Jefimow wurde gerufen und war jetzt kaum wiederzuerkennen: er benahm sich hochmütig, gab spöttische Antworten und verblieb hartnäckig dabei, daß alles, was er dem Franzosen gesagt habe, wahr sei. Dies alles brachte den Grafen aufs äußerste auf, und er sagte meinem Stiefvater geradezu, er sei ein Taugenichts, ein Verleumder und verdiene die schmählichste Bestrafung.
„Regen Sie sich nicht auf, Erlaucht; ich kenne Sie zur Genüge“, antwortete mein Stiefvater. „Ihnen habe ich es zu verdanken, daß ich vors Kriminalgericht kam und nur mit Mühe der Bestrafung entging. Ich weiß, auf wessen Anstiften Alexej Nikiforowitsch, Ihr ehemaliger Musiker, die Anzeige gegen mich erstattet hat.“
Der Graf war außer sich vor Zorn, als er eine so entsetzliche Beschuldigung hörte. Er konnte sich kaum beherrschen; aber ein zufällig im Saale anwesender höherer Beamter, der in einer geschäftlichen Angelegenheit zum Grafen gekommen war, erklärte, er könne das nicht so hingehen lassen; Jefimows beleidigende Grobheit schließe eine böswillige, falsche Beschuldigung und Verleumdung ein, und er bitte ergebenst um die Erlaubnis, ihn sofort im Hause des Grafen arretieren zu dürfen. Der Franzose drückte seine starke Entrüstung aus und sagte, ein so schwarzer Undank sei ihm unbegreiflich. Da antwortete mein Stiefvater in ausbrechendem Jähzorn, er ziehe sogar eine neue kriminelle Untersuchung und Gericht und Bestrafung jenem Leben vor, das er bis dahin als Mitglied des gutsherrlichen Orchesters habe ertragen müssen, weil er bei seiner völligen Armut nicht die Mittel gehabt habe, diese Stellung zu verlassen. Mit diesen Worten ging er aus dem Saale, geführt von den Leuten, die ihn festgenommen hatten. Man schloß ihn in ein abgelegenes Zimmer des Hauses ein und kündigte ihm an, daß er gleich am nächsten Tage nach der Stadt gebracht werden solle.
Um Mitternacht öffnete sich die Tür zu dem Zimmer des Arrestanten. Der Gutsbesitzer trat ein. Er war in Schlafrock und Pantoffeln und
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