Werke von Fjodor Dostojewski (Illustrierte) (German Edition)
Mutes, als hätte sie sich nun überzeugt, daß er mit ihr ganz zufrieden sei und sie sich unnötig geängstigt habe. Dann wurde sie auf einmal freundlich, heiter und vergnügt, küßte mich, lachte mit mir oder ging ans Klavier und phantasierte auf ihm ein paar Stunden lang. Aber nicht selten erfuhr ihre frohe Stimmung eine plötzliche Unterbrechung: sie fing an zu weinen, und wenn ich sie beunruhigt, erschrocken und ängstlich ansah, so versicherte sie mir sogleich flüsternd, als fürchtete sie, es könnte uns jemand hören, daß ihre Tränen ohne Ursache seien und nichts zu bedeuten hätten; sie sei ganz vergnügt, und ich solle mir um sie keine Sorge machen. Es kam manchmal vor, daß sie, wenn ihr Mann nicht im Zimmer war, auf einmal in Erregung geriet, sich nach ihm erkundigte, unruhig wurde, zu ihm schickte und fragen ließ, was er mache, ihr Mädchen ausfragte, warum er habe anspannen lassen, und wohin er fahren wolle, ob er auch nicht krank und ob er heiter oder finster sei, was er gesagt habe usw. Ein Gespräch über seine dienstliche Tätigkeit und seine sonstigen Geschäfte mit ihm anzufangen, das wagte sie nicht. Wenn er ihr einen Rat gab oder sie um etwas ersuchte, so hörte sie ihn mit so gehorsamer, ängstlicher Miene an, wie wenn sie seine Sklavin wäre. Sehr gern hatte sie es, wenn er irgend etwas an ihr lobte, irgendeinen Besitzgegenstand, ein Buch, ihre Handarbeit. Darauf war sie dann ordentlich stolz und wurde sogleich ganz glücklich. Aber ihre Freude kannte keine Grenzen, wenn er gelegentlich (das kam allerdings nur sehr selten vor) den Einfall hatte, die beiden kleinen Kinder zu liebkosen. Ihr Gesicht verklärte sich dann und strahlte vor Glück, und es begegnete ihr in solchen Augenblicken sogar, daß sie sich ihrem Manne gegenüber von ihrer Freude allzusehr (!) fortreißen ließ und z.B. in ihrer Kühnheit so weit ging, ihn aus sich selbst, ohne Aufforderung seinerseits, natürlich schüchtern und mit bebender Stimme, zu bitten, er möchte doch ein neues Musikstück anhören, das sie bekommen hatte, oder ihr seine Meinung über ein Buch sagen, oder gar, er möchte ihr erlauben, ihm ein paar Seiten von einem Verfasser vorzulesen, der an diesem Tage auf sie besonderen Eindruck gemacht hatte. Manchmal erfüllte der Mann gnädig alle ihre Wünsche und lächelte ihr sogar herablassend zu, wie man einem verwöhnten Kinde zulächelt, dem man einen sonderbaren, launischen Wunsch nicht abschlagen will, um nicht vorzeitig mit rauher Hand seine Naivität zu zerstören. Aber ich weiß nicht, warum: dieses Lächeln, diese hochmütige Herablassung, diese Ungleichheit in dem gegenseitigen Verhältnis der Gatten, das alles empörte mich in tiefster Seele; aber ich schwieg, beherrschte mich und begnügte mich damit, die beiden aufmerksam mit kindlicher Neugier, aber mit vorzeitig verdüsterter Sinnesart zu beobachten. Ein andermal bemerkte ich, daß er auf einmal unwillkürlich zusammenfuhr, wie wenn ihm etwas einfiele, wie wenn ihm plötzlich ganz gegen seinen Willen die Erinnerung an etwas Peinliches, Schreckliches, Unabänderliches käme; das herablassende Lächeln verschwand dann augenblicklich von seinem Gesichte, und seine Augen richteten sich plötzlich auf die erschrockene Frau mit einem solchen Ausdruck von Mitleid, daß ich zusammenzuckte, und ich sage mir jetzt, hätte dieses Mitleid mir gegolten, so hätte ich es als eine Folter empfunden. In demselben Augenblicke war die Freude von Alexandra Michailownas Gesichte verschwunden. Musik oder Lektüre hörten auf. Sie wurde blaß, nahm sich aber zusammen und schwieg. Nun folgte ein unangenehmer, peinlicher Zeitraum, der mitunter lange dauerte. Endlich machte der Mann diesem Zustande ein Ende. Er stand auf, wie wenn er seinen Ärger und seine Erregung mit größter Anstrengung unterdrückte, ging in grimmigem Schweigen ein paarmal im Zimmer auf und ab, drückte seiner Frau die Hand, seufzte tief, sagte in sichtlicher Verwirrung einige abgerissene Worte, aus denen man seinen Wunsch, seine Frau zu trösten, heraushören konnte, und verließ das Zimmer; Alexandra Michailowna aber brach in Tränen aus oder versank in eine entsetzliche, langdauernde Traurigkeit. Oft segnete und bekreuzte er sie, wenn er ihr Gute Nacht sagte, wie ein Kind, und sie empfing seinen Segen mit Tränen der Dankbarkeit und in unterwürfiger Verehrung. Aber ich kann einige Abende in unserm Hause nicht vergessen (es waren ihrer in den ganzen acht Jahren nur zwei oder drei, nicht
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