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Werke von Fjodor Dostojewski (Illustrierte) (German Edition)

Werke von Fjodor Dostojewski (Illustrierte) (German Edition)

Titel: Werke von Fjodor Dostojewski (Illustrierte) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fjodor Dostojewski
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wußte nicht, was ich antworten sollte. Ich entschuldigte mich einigermaßen und richtete ihm dann mit Not und Mühe Alexandra Michailownas Einladung aus. Ich erinnere mich nicht mehr, was er mir antwortete; ich erinnere mich nicht, wie ich aus dem Arbeitszimmer herausgelangte; aber als ich zu Alexandra Michailowna hinkam, hatte ich die Antwort, auf die sie wartete, vollständig vergessen und sagte aufs Geratewohl, er werde kommen.
    „Aber was ist mit dir, Netotschka?“ fragte sie. „Du bist ja ganz rot geworden; sieh dich nur einmal an! Was hast du denn?“
    „Ich weiß nicht ...ich bin schnell gegangen...“ antwortete ich.
    „Hat Pjotr Alexandrowitsch etwas zu dir gesagt?“ unterbrach sie mich in sichtlicher Verwirrung.
    Ich antwortete nicht. In diesem Augenblicke wurden Pjotr Alexandrowitschs Schritte hörbar, und ich verließ sogleich das Zimmer. Ich wartete zwei ganze Stunden in großer Aufregung. Endlich wurde ich zu Alexandra Michailowna gerufen. Diese war schweigsam und nachdenklich. Als ich eintrat, sah sie mich schnell und forschend an, wandte dann aber sogleich die Augen von mir ab. Es schien mir, daß eine gewisse Verlegenheit sich auf ihrem Gesichte ausprägte. Bald bemerkte ich, daß sie sich in übler Stimmung befand, wenig sprach, mich überhaupt nicht anblickte und auf B...s besorgte Fragen über Kopfschmerzen klagte. Pjotr Alexandrowitsch war gesprächiger als sonst je, redete aber nur mit B...
    Alexandra Michailowna trat zerstreut zum Klavier.
    „Singen Sie uns etwas!“ sagte B..., sich zu mir wendend.
    „Ja, Anneta, singe uns deine neue Arie!“ fiel Alexandra Michailowna ein, wie wenn sie über ein Auskunftsmittel erfreut wäre.
    Ich sah sie an; sie blickte mit dem Ausdruck unruhiger Erwartung zu mir hin.
    Aber ich konnte mich nicht überwinden. Statt an das Klavier zu treten und wenigstens eine Kleinigkeit zu singen, wurde ich verlegen und verwirrt und fand keine Ausrede; schließlich ärgerte ich mich über mich selbst und schlug die Bitte in schroffer Form ab.
    „Aber warum willst du denn nicht singen?“ fragte Alexandra Michailowna, indem sie mich bedeutsam ansah und zugleich ihren Mann mit einem Blicke streifte.
    Diese beiden Blicke brachten mich völlig aus der Fassung. Ich stand in äußerster Verwirrung vom Tische auf, suchte aber meinen Zustand nicht mehr zu verbergen, und zitternd vor Ungeduld und Ärger wiederholte ich heftig, ich wolle nicht, ich könne nicht, ich sei nicht wohl. Während ich das sagte, sah ich allen in die Augen; aber Gott weiß, wie sehnlich ich in diesem Augenblick wünschte, in meinem Zimmer zu sein und von keinem Menschen gesehen zu werden.
    B... war erstaunt; Alexandra Michailowna hatte offenbar Kummer, sagte aber kein Wort. Pjotr Alexandrowitsch aber stand plötzlich auf, erklärte, er habe etwas vergessen, und verließ, anscheinend verdrießlich über sein Versäumnis, eilig das Zimmer; er bemerkte zwar, er werde vielleicht später noch einmal wiederkommen, gab aber für jeden Fall B... die Hand zum Abschied.
    „Was haben Sie denn eigentlich?“ fragte B... „Ihrem Aussehen nach zu urteilen sind Sie wirklich krank.“
    „Ja, ich bin nicht wohl, ich bin sehr unwohl“, antwortete ich unwirsch.
    „Du siehst wirklich blaß aus, und vorhin warst du doch noch so rot“, bemerkte Alexandra Michailowna und hielt plötzlich inne.
    „Nun genug davon!“ sagte ich, ging gerade auf sie zu und blickte ihr unverwandt in die Augen. Die Ärmste hielt meinen Blick nicht aus, schlug wie schuldbewußt die Augen nieder, und eine leichte Röte überzog ihre blassen Wangen. Ich ergriff ihre Hand und küßte sie. Alexandra Michailowna
    sah mich mit erkünstelter naiver Freude an. „Verzeihen sie mir, daß ich heute ein so böses, unartiges Kind gewesen bin“, sagte ich zu ihr mit aufrichtiger Empfindung; „aber ich bin wirklich krank. Seien Sie mir nicht böse, und gestatten Sie mir, jetzt fortzugehen...“
    „Wir sind sämtlich Kinder“, sagte sie mit einem schüchternen Lächeln. „Auch ich bin ein Kind und bin schlechter als du, viel schlechter“, fügte sie, mir ins Ohr flüsternd, hinzu. „Gute Nacht und gute Besserung! Ich bitte dich nur: sei mir nicht böse!“
    „Böse? Weswegen denn?“ fragte ich; so überraschte mich das darin liegende naive Geständnis.
    „Weswegen?“ wiederholte sie in schrecklicher Verlegenheit; ja, sie schien sogar einen Schreck über sich bekommen zu haben. „Weswegen? Nun, da siehst du, wie ich bin, Netotschka. Was habe

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